Für den heutigen Vormittag hatten wir unser Programm den äußeren Gegebenheiten – dauerhaftem Regen – angepasst und den Schirm beim Verlassen unserer Unterkunft aufgespannt. Nur beim Schuhwerk hätte Jochen besser auf die Goretex-Schuhe vertraut, denn nasse Füße in Sneakern machen sich – nicht nur bei einem Stadtrundgang – nicht allzu gut.
Auf unserer ersten Erkundung der Stadt waren wir auf Werbung für eine ungewöhnliche Ausstellung gestoßen, die Kunst und Musik miteinander verbindet. Unter dem Titel Da Picasso a Warhol – Le Vinyl Cover dei Grandi Maestri werden über 150 Vinyl-Cover von LPs in den historischen Mauern des Palazzo Guinigi präsentiert, die von Künstlern aus aller Welt designed wurden.
Darunter finden sich, wie der Titel erwarten lässt, Pablo Picasso und Andy Warhol (u.a. für Debbie Harry), aber auch Keith Haring (u.a. für Run-DMC), Henri Matisse (u.a. für Ella Fitzgerald), Peter Blake (für die Beatles), Damien Hirst (u.a. für die Red Hot Chili Peppers) und viele weitere, die sich auf den Alben von berühmten und weniger berühmten Musikern verewigt haben.









Besonders faszinierend: Joseph Beuys hat nicht nur die Hülle einer LP entworfen, sondern auch den gepressten Inhalt geschaffen. Zu hören sind auf der Aufnahme mit dem Titel „JA JA JA JA JA, NEE NEE NEE NEE NEE” aus dem Jahr 1970 gesprochene Texte, die im Wesentlichen aus den von ihm wiederholt gesprochenen Worten „Ja” und „Nein” bestehen, begleitet von Geräuschen, die an einen schabenden Filzstift erinnern. Bei Spotify ist die LP nicht zu finden, aber wer eine Stunde Zeit mitbringt, kann sie sich bei YouTube anhören. Hier noch der Link zum Gesamtkunstwerk gleichen Namens.
Da erst zum Nachmittag Wetterbesserung vorhergesagt worden war, kauften wir uns eine Kombikarte für zwei weitere Museen der Stadt und versuchten auf unserem Weg dorthin, den größten Wasserpfützen aus dem Weg zu gehen.
Im Nationalmuseum des Palazzo Mansi wird dem Besucher in einem prächtigen Herrenhaus der Reichtum der Familie Mansi vor Augen geführt, die ihr Vermögen mit Seidenhandel verdiente. Von außen ist das prachtvolle Innere kaum zu erahnen. Im spektakulären Salone della Musica finden unter den mit Fresken bemalten Wänden und Decken heute gelegentlich musikalische Nachmittage statt – nicht mehr wie in früheren Zeiten nur für die Familie Mansi und ihre Freunde, sondern für jedermann.
Auf die Gemäldesammlung, die der Stadt 1847 von Leopold II. von Lothringen geschenkt wurde, warfen wir nur einen flüchtigen Blick und gingen stattdessen weiter zu den vier Paraderäumen, die rundum mit kostbaren flämischen Wandteppichen behangen sind.
Das Prunkstück des Palastes ist sicherlich der Alkoven, den Carlo Mansi anlässlich seiner Hochzeit mit Eleonora Pepoli entwerfen ließ. Vier aus Holz geschnitzte und vergoldete weibliche Figuren führen in den Raum, in dessen Mitte der Baldachin steht – umgeben von Vögeln aller Art zwischen Blumen, Granatäpfeln und Trauben. Genutzt wurde der Raum nur zu besonderen Anlässen oder für hohe Gäste wie Prinzen, Herzöge und Könige, die in diesem Bett schlafen durften.
Vor dem weiteren Spaziergang zur Kathedrale San Martino hatten wir uns eine kleine Espresso-Pause redlich verdient. Der Regen hörte langsam auf, und blauer Himmel blitzte bereits durch die dichte Wolkendecke. Angekommen auf dem Platz vor der Kathedrale schauten wir uns zuerst die prachtvolle Fassade an. Wer genau hinschaut, sieht, dass die Fassade der Kathedrale nicht ganz symmetrisch errichtet wurde. Sind es nach links acht Säulen, die die Fassade schmücken, finden sich auf der rechten Seite lediglich sechs.
Die drei Portale der Kathedrale sind reich mit Figuren geschmückt. Über dem Hauptportal ist die Himmelfahrt Christi in Anwesenheit der Jungfrau und der Apostel dargestellt, über dem linken Portal oben die Kreuzabnahme und darunter die Geburt Christi und die Anbetung der Heiligen Drei Könige.


Im Innern fällt auf der linken Seite der ungewöhnliche, aktuell eingerüstete kleine Tempel auf. Hier wurde vor Beginn der Restaurierung das antike Bild des Volto Santo aufbewahrt – eine monumentale Holzskulptur des lebenden Christus am Kreuz, das jahrhundertelang gläubige Pilger in die Stadt zog.
Das Kreuz gilt mit seiner Entstehung aus dem späten 8. Jahrhundert als eines der drei ältesten hölzernen Kruzifixe des Abendlandes (die beiden anderen finden sich in Sansepolcro in der Nähe von Arezzo und in Tancrémont in der Nähe von Lüttich) und als das am besten erhaltene. Nach drei Jahren der Restaurierung wurde das Aussehen wiederhergestellt, das das Kreuz vom 9. bis zum 17. Jahrhundert hatte.
Erst seit knapp zwei Wochen wird es wieder der Öffentlichkeit präsentiert und nach Restaurierung des kleinen Tempels soll es dann ab 2026 wieder dort an historischer Stelle seinen Platz finden.

Neben dem kleinen Tempel hängt an der Decke ein Eisengitter: Zum Fest Santa Croce wird jedes Jahr Mitte September Werg (Fasern, die als Abfall bei der Herstellung von Flachs oder Hanf entstehen) um die Gitterstäbe geflochten und in Brand gesetzt, um die Vergänglichkeit der irdischen Dinge zu symbolisieren. Ursprünglich wurde dieses Ritual auch bei der Weihe des Papstes angewendet.
In der Sakristei findet sich ein weiteres herausragendes Kunstwerk vom Anfang des 15. Jahrhunderts: das marmorne Grabmal der Ilaria del Carretto, der Frau Paolo Guinigis, die bei der Geburt ihrer Tochter 1405 starb. Seit Jahrhunderten verzaubert die unvergängliche Schönheit der jungen Frau die Besucher. Zu ihren Füßen wacht ein Hund – ein Symbol der ehelichen Treue.

Und auch sonst waren die 3 EUR Eintritt gut investiert:


Beim Heraustreten aus der Kathedrale hatten sich die Regenwolken verzogen, und so machten wir uns auf den Weg ganz in den Osten der Stadt zum Museo Nazionale di Villa Guinigi. Hier sind Kunstwerke überwiegend religiösen Ursprungs ausgestellt, die die Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung erzählen. Nach dem Besuch der Kathedrale waren uns die vielen religiösen Kunstwerke allerdings etwas zu viel des Guten, und wir schritten etwas schneller durch die Ausstellung und verweilten nur bei einigen wenigen der Werke etwas länger.
Beim Rückweg nahmen wir einen kleinen Umweg, um ein Stück des Weges über die Stadtmauer von Lucca zu nehmen. Auf dem Weg von der Porta Santa Maria bis zur Porta San Donato im Westen nutzten viele Lucca-Besucher das deutlich bessere Wetter am Nachmittag für einen kleinen Spaziergang.

Zum letzten Abendessen unseres Urlaubs machten wir uns auf zum Ristorante Rusticanella2, wo wir bereits am Nachmittag einen Tisch für 18 Uhr reserviert hatten. Harte Rockmusik aus dem Sender Radiofreccia begrüßte uns im Innern, und schon nach kurzer Zeit standen Nudeln mit Steinpilzen, die wir schon so oft unterwegs an Gemüseständen gesehen hatten, und eine Lasagne auf unserem Tisch.



Nach dem Essen bummelten wir ein wenig durch die nächtlichen Straßen von Lucca: Wir kamen am Denkmal des in Lucca geborenen Opernkomponisten Giacomo Puccini vorbei und warfen einen Blick auf die Auslagen der mittlerweile geschlossenen Geschäfte.
Am nächsten Morgen machten wir uns früh auf den Weg zum Flughafen nach Pisa, um unseren Mietwagen, der uns in den letzten 14 Tagen treue Dienste geleistet hatte, zurückzugeben und anschließend den Flug zurück nach Deutschland in Angriff zu nehmen. Es dauerte ungewöhnlich lange bei der Rückgabe des Wagens, und als wir den Terminal des Flughafens betraten, waren die Menschenmassen zunächst einmal ein kleiner Schock. Zum Glück wartete bei der Kofferabgabe für Lufthansa niemand in der Schlange, sodass dies schnell erledigt war. Die Schlange beim Sicherheitscheck war zwar sehr lang, aber es ging zügig voran.
Als wir das auch geschafft und am Gate angekommen waren, stellten wir fest, dass die Anspannung nicht notwendig gewesen wäre – der Flug verspätete sich um gut 45 Minuten.
In der Luft bekamen wir am linken Fenster eine kleine Sightseeing-Tour über Pisa geboten und sahen auch das Wahrzeichen der Stadt, den Schiefen Turm.