Die Wetteraussichten für den heutigen Tag waren nicht eindeutig: Etwas frischer als gestern sollte es auf alle Fälle werden, aber ob Sonne oder Regen, da ließ sich Petrus nicht wirklich in die Karten schauen. Unsere Fahrt ging Richtung Süden – vobei an Höxter, was wir uns im Anschluss anschauen wollten – zum Weser Skywalk in der Nähe von Bad Karlshafen. Die 2011 errichtete Aussichtsplattform befindet sich nahe dem Drei-Länder-Eck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen an den Hannoverschen Klippen. Wer jetzt einen Skywalk à la Grand Canyon erwartet hatte, wurde enttäuscht – aber einen tollen Ausblick 80m über der unter uns dahin fließenden Weser hatten wir trotzdem.
In Höxter angekommen, spazierten wir entlang eines rund zwei Kilometer langen historischen Rundwegs durch die Stadt. Die Stadt geht auf Eroberungen von Karl dem Großen zurück, der beide Seiten der Weserfurt im Jahr 775 n. Chr. besetzte. Um die heidnischen Sachsen zu christianisieren wurde von Karls Sohn Ludwig dem Frommen das Kloster Corvey gegründet, das seit 2014 zum Weltkulturerbe zählt.
Die Siedlung Huxori, das spätere Höxter, wurde dem Kloster samt seiner Ländereien zugesprochen.
Start unseres Rundgangs war das historische Rathaus, das Anfang des 17. Jahrhunderts im Stil der Weserrenaissance mit dem aufgesetzten Fachwerkaufbau und dem Treppenturm. Das Rathauses stand am Hellweg, einem Fernhandelsweg zwischen Niederrhein und Harz, zudem befand sich hier seit 1115 die erste Brücke an der oberen Weser.
Weitere schöne Fachwerkhäuser zeugen vom ehemaligen Reichtum der Stadt.
Nach einem kurzen Stück an der Weser entlang ging es an der Stadtmauer entlang landeinwärts Richtung Altstadt.
Weitere Zeugnisse der Weserrenaissance prägten auch den weiteren Rundweg durch die Stadt.
Das nach den Besitzern aus dem Adelsgeschlecht der Uffeln benannten Haus, der Uffelnsche Hof, wurde ebenfalls im Stil der Renaissance umgebaut – markante Zeichen dafür sind das steinerne Erdgeschoss mit Fachwerkaufbau und der Treppenturm. Seit der preußischen Herrschaft dient das Gebäude als Amtsgericht.
Ein wahrer Zungenbrecher ist der Amelunxensche Hof, der sich ebenfalls von den Besitzern im Mittelalter, der Herren von Amelunxen, ableitet und Ende des 16. Jahrhunderts errichtet wurde. Heute beherbergt das Gebäude das katholische Pfarramt.
Letzter Stopp auf dem Rundgang durch Höxters Altstadt war die St. Kilianikirche mit ihren beiden markanten, das Stadtbild beherrschenden Türmen. Mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen ist, dass die beiden Türme unterschiedlich hoch sind, die Differenz beträgt immerhin drei Meter.
Besonders sehenswert im Innern sind die Orgel aus dem Jahr 1710 und die Kanzel aus dem Jahr 1597.
Kurz vor 16 Uhr erreichten wir das nur ca. 5 km von Höxter entfernt liegende Schloss Corvey. Die Benediktinerabtei, deren Gründung auf das Jahr 822 zurückgeht, wurde im 30jährigen Krieg zum großen Teil zerstört und durch Fürstäbte anschließend wieder zu Leben erweckt. Nach der Säkularisation Anfang des 19.Jahrhunderts wurde das Fürstbistum aufgelöst, das Anwesen gelangte schließlich in den Besitz Landgrafen Viktor Amadeus von Hessen-Rotenburg. Sein Neffe erbte im Jahr 1840 Schloss Corvey und das Herzogtum Ratibor und bekam den Titel “Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey” zugesprochen. Seit dieser Zeit ist das Schloss in Besitz der Herzöge von Ratibor.
Seit 2014 trägt Corvey den Titel Welterbe, zum einen für das Westwerk aus karolingischer Zeit und zum anderen für die Civitas Corvey, also die Stadt Corvey.
Das Westportal, in dem im ersten Stock noch originale Fresken aus karolingischer Zeit zu bestaunen sind (wenn sie nicht gerade wie bei unserem heutigen Besuch einer aufwendigen Restaurierung unterzogen werden), beeindruckt Historiker, der Prunk der sich anschließenden barock ausgestatteten Klosterkirche sicherlich jeden Besucher.
Auf dem Klosterfriedhof ist ein bedeutender ehemaliger Angestellter von Corvey beerdigt. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben trat am 1. Mai 1860 die Stelle des Bibliothekars in Corvey an und sorgte in den Folgejahren dafür, dass ein beeindruckender Bücherbestand mit heute 74.000 Exemplaren aufgebaut wurde, der zu den größten und kostbarsten Privatbibliotheken Deutschlands zählt.
Hoffmann von Fallersleben, der kein Adliger war (sein Nachname deutet vielmehr auf seine Herkunft hin), schrieb so berühmte Kinderlieder wie zum Beispiel “Alle Vögel sind schon da”, “Ein Männlein steht im Walde” oder “Morgen kommt der Weihnachtsmann” – und ganz nebenbei auch noch das Lied der Deutschen, dessen dritte Strophe heute die Nationalhymne Deutschlands ist.
Nach der Klosterkirche setzte sich der Rundgang im Kreuzgang fort.
Den kostbaren Ausstellungsstücken des Klostermuseums schlossen sich die Prunkräume der ehemaligen Fürstäbte an, die heute von Viktor IV. von Ratibor und Corvey verwaltet werden.
Die ehemalige Wirkungsstätte von Hoffmann von Fallersleben erstreckte sich im Anschluss durch fünfzehn Säle, in denen fein säuberlich die wertvollen Bücher in Schränken verwahrt sind und darauf warten, von einem Interessierten gelesen zu werden.
Nach einem letzten Blick auf das Westportal des Klosters stand uns der Sinn für ganz weltliche Dinge – dem Abendessen. Dem Lockruf des einzigen indischen Restaurants im Weserbergland konnten wir nicht widerstehen und saßen kurze Zeit später auf der Terrasse des Restaurants Lion in Höxter und ließen uns Köstliches aus Fernost munden.
Bereits in den vergangenen Tagen lächelten uns von unzähligen Plakaten Bewerber für die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen entgegen. Besonders originelle Plakate hatte sich Die PARTEI einfallen lassen. Wir mussten länger darüber nachdenken, ob die Plakate nicht gegen Recht und Ordnung verstoßen – da sie jedoch keine Aufforderung zu einer Straftat zum Ausdruck bringen, sondern mehr eine Feststellung darstellen, scheinen sie genehm zu sein.
Nicht, dass man Die PARTEI wählen müsste, aber Aufmerksamkeit erzeugen diese Plakate auf alle Fälle.