Genua (23.09.) – Ein Ausflug ins Reich der Toten, beeindruckende Kunstsammlungen und spektakuläre Natur

Nachdem wir gestern einen ersten kleinen Eindruck von Genua gewinnen konnten, verschoben wir aufgrund des angekündigten besseren Wetters die weitere Erkundung der Hafenstadt auf morgen und widmeten uns heute den faszinierenden Zielen im Umland. Auf dem Weg zum Auto kamen wir an der Galleria Giuseppe Mazzini vorbei, errichtet zwischen 1866 und 1877 und inspiriert von den Passagen in Paris und der berühmten Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand.

Geschäfte, Buchhandlungen, Bars und Restaurants locken solvente Besucher an

Nicht nur Paris lockt mit seinem berühmten Père-Lachaise – auch Genua besitzt mit dem Monumentalfriedhof Staglieno einen Friedhof, die definitiv einen Besuch wert ist. Allerdings ist es nahezu unmöglich, bei einem Kurzbesuch das gesamte Areal mit einer Größe von mehr als einem Quadratkilometer zu erkunden. Am Berghang des genuesischen Stadtteils Staglieno sollte eine Stadt der Toten entstehen. Aufgrund der schieren Größe des Friedhofs wurde eigens ein Busverkehr auf dem Gelände eingerichtet – ein praktischer Service.

Das Besondere an dieser riesigen Anlage sind die fantasievollen Grabmäler, die wie steinerne Geschichtenerzähler wirken: Hier finden sich Szenen aus dem Leben der Verstorbenen, dort liebliche Engel und grazile Jugendstilfiguren, die eine Hommage an das vergangene Leben darstellen. Jedes Grabmal ist individuell gestaltet und wurde oft noch zu Lebzeiten von den künftigen Bewohnern in Auftrag gegeben. Beim Rundgang kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, dass es auch darum ging, mit dem größten und schönsten Grabmal selbst nach dem Tod noch zu beeindrucken – ein letzter Akt der Eitelkeit.

Diejenigen, die sich kein prunkvolles Grabmal in einer der Galerien leisten konnten oder wollten, fanden ihre letzte Ruhestätte in den zentralen Gräberfeldern oder wurden in den übereinander liegenden Grabkammern bestattet – den sogenannten Kolumbarien, die ein wenig an überdimensionierte Schließfächer erinnern.

Im Vordergrund die einfacheren Gräber, in den Galerien stehen marmorne Kunstwerke
Rechts, links und unter den Grabplatten wurden und werden Verstorbene beerdigt
In den endlosen Gängen muss man aufpassen, dass man sich nicht verläuft
In Marmor gemeißelter Schnappschuss, vermutlich vom unerwarteten Auffinden des Toten
Die schlafende Schönheit am Grabmal der Familie Rollo
Ein wunderschöner Engel behütet die beiden Verstorbenen
Das Appiani-Grabmal diente als Vorlage für das Cover des Albums Closer der englischen Kultband Joy Division

Hier eine kleine Auswahl weiterer besonders beeindruckender Ehrerbietung an die Verstorbenen:

Zurück im Leben fuhren wir an die Küste nach Nervi, einem Stadtteil im äußersten Osten Genuas. Das milde Klima ließ hier bereits ab 1860 den internationalen Tourismus erblühen, in dessen Zuge herrschaftliche Villen und aufwendig gestaltete Gärten entstanden – ein mediterraner Traum für die Wohlhabenden jener Zeit.
Deutlich älter sind die drei etwas außerhalb des Dorfkerns stehenden Villen Gropallo, Grimaldi Fassio und Saluzzo Serra, deren Ursprünge teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Nach wechselvoller Geschichte wurden sie erweitert, umgestaltet und gelangten schließlich in den Besitz der Stadt Genua. Zwei der drei Villen werden heute als Museen genutzt. Gemeinsam mit einem dritten, dem Wolfsoniana erwarben wir ein Kombiticket für 10 EUR und warfen einen Blick auf die umfangreichen Sammlungen.

Die Villa Gropallo, Mitte des 19. Jahrhunderts vom Marquis Gropallo als Landsitz restauriert, beherbergt heute die Biblioteca Brocchi und die Carabinieri-Station von Nervi. Der Komplex der Villa Saluzzo Serra wurde 1927 an die Gemeinde verkauft und seit 1928 beherbergt die Villa die Galleria d’Arte Moderna der Stadt.

Im mediterranen Garten liegt das Museum für Moderne Kunst
Portraits des in Genua geborenen Geigenvirtuosen Niccolò Paganini
Rubaldo Merello – San Fruttuoso (undatiert, 20. Jahrhundert)
Aligi Sassu – La Matanza (1951)
Pompeo Mariani – L’addio del marinaio (1897)
Domenico Guerello – Calma Argentea (1923)

Die 1956 vom Schiffseigner Ernesto Fassio erworbene Villa kam als letzte in Gemeindebesitz und ist heute ein Museum der wertvollen Sammlung Frugone mit Skulpturen und Gemälden europäischer und italienischer Künstler.

Seit der Erbauung im 16. Jahrhundert hatte die Villa Grimaldi Fassio einige Besitzer; heute befindet sich hier die Kunstsammlung der Brüder Frugone
Giovanni Boldini – La Contessa Beatrice di Bylandt (1901)
Joaquin Sorolla y Bastida – Sonnellino in Barca (1896)
Ettore Tito – Pagine d’amore (1907)
Giovanni Boldini – Miss Bell (1903)

In einer ehemaligen Schule unweit der Villen hat das Wolfsoniana Einzug gehalten – ein Museum, gegründet von Mitchell Wolfson Jr., einem amerikanischen Kunstsammler und Sohn des gleichnamigen Medienunternehmers. Dieser schenkte einen Teil seiner beeindruckenden Sammlung von Möbeln, Gemälden und Einrichtungsgegenständen der Stadt Genua. In den USA spendete er eine Bibliothek, ein Forschungszentrum und ein Museum, das unter dem Namen Wolfsonian als einer von sieben Campus in die Florida International University integriert wurde. Insgesamt umfassen die beiden Sammlungen in Miami und Genua mehr als 180.000 Objekte aus der Zeit von 1885 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945.

Unweit der Villen, gleich hinter der nahe am Ufer der ligurischen Küste verlaufenden Eisenbahnlinie, zeigt sich eine andere Seite von Nervi. Vom malerischen Hafen aus verläuft auf insgesamt vier Kilometern ein spektakulär in den Felsen geschlagener Fußweg entlang der herrlichen Küste – die berühmte Passeggiata Anita Garibaldi. Wobei man auch hier am Himmel Kunst entdecken kann:

Ein Maler würde jetzt sofort die Staffelei auspacken und loslegen
Der Fußweg schlängelt sich oberhalb der schroffen Felsen die Küste entlang

Kleinere Badebetriebe bieten Sonnenschirme direkt auf den Felsen an, während Cafés Besucher mit einem atemberaubenden Blick aufs tiefblaue Meer und die schroffe Küste locken.

Die Sonnenschirme sind im nackten Fels verankert

Wir spazierten zunächst mit der langsam untergehenden Sonne Richtung Osten bis zu einem Aussichtspunkt in der Nähe der Villa Luxoro, einem prächtigen Bau von 1908, errichtet von den kunstsinnigen Brüdern Luxoro. Die Brüder waren leidenschaftliche Sammler genuesischer Keramik des 17. und 18. Jahrhunderts, die sich heute noch in den original eingerichteten Sälen befindet. Leider ist das Museum jedoch seit Jahren für die Öffentlichkeit geschlossen.

Blick hinüber zur Portofino-Halbinsel – in der Bucht liegt das schöne Städtchen Camogli

Vom östlichsten Punkt mit seinem grandiosen Blick die Küste entlang wanderten wir in entgegengesetzter Richtung zurück zum Hafen des kleinen ehemaligen Fischerdorfs und von dort zum Auto am Bahnhof – ein perfekter Spaziergang im goldenen Abendlicht.

Im Hafen von Nervi liegt der Großteil der Boote bereits im Winterschlaf an Land
Ein paar Gäste des Strandbades nutzen die Strahlen der untergehenden Sonne für ein letztes Sonnenbad

Einen letzten Stopp legten wir in Boccadasse ein, einem weiteren Vorort Genuas. Die Uferpromenade samt dem Aussichtspunkt Firpo, von dem Besucher einen wunderschönen Blick auf den historischen Hafen des Stadtteils genießen können, wurde anlässlich des G8-Gipfels in Genua im Jahr 2001 liebevoll renoviert. Auf unserem Weg zum Aussichtspunkt und zurück überholte uns eine große Anzahl von Freizeitsportlern, die die herrliche Abendstimmung für ihre sportlichen Aktivitäten nutzten.

Gut was los am späten Nachmittag an der Uferpromenade
Wie in der Cinque Terre stapeln sich auch hier die bunten Häuser am Hafen von Boccadasse

Für das Abendessen stand uns heute nicht der Sinn nach Pizza oder Pasta, und so hatten wir bereits im Vorfeld ein indisches Restaurant außerhalb von Genuas Altstadt ausgemacht, das wir ansteuerten. Wir waren die einzigen Gäste im Bombay Tandoori, was uns aber keineswegs störte. Mit dem authentischen Essen waren wir durchaus zufrieden und können uns morgen wieder mit Genuss der italienischen Küche zuwenden.

Zurück in Genua kamen wir auf dem Spaziergang vom Parkhaus zur Unterkunft wir wie üblich an der Piazza de Ferrari vorbei, auf der am Palazzo della Regione Liguria heute abend ein bisschen Werbung für Genua betrieben wurde.

Und natürlich passierten wir wieder die Via Garibaldi, die sich auch in abendlicher Beleuchtung sehr gut macht.

Buona notte!

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