Saarland 09.06. – Der allgegenwärtige Wendelinus

Der Weg in den Nordwesten des Saarlandes führt vorbei an Dörfern mit sonderbar klingenden Namen Oberlinxweiler, Unterlinxweiler und Urexweiler. Dabei geht es immer entlang der Blies – dem knapp 100 km langen Nebenfluss der Saar – bis man schließlich St. Wendel erreicht. Wie der Name der Stadt bereits vermuten lässt, geht seine Geschichte auf den Heiligen Wendelin zurück, der um 600 als Hirte in der Gegend lebte und nach seinem Tod von der Bevölkerung verehrt wurde. Der in den folgenden Jahrhunderten stärker werdende Zustrom von Pilgern verhalf auch dem Ort zu Wachstum. Der Name “Wendelin” oder die Verwendung in leichten Abwandlungen begegnet dem Besucher quasi an jeder Ecke. Neben der beeindruckenden Wendalinusbasilika findet der Besucher unter anderem den Wendelinusbrunnen, den Wendelinushof, eine Wendalinusapotheke, das Wendelinus-Hallenbad und sogar einen Wendelinus-Golfpark. Der Heilige wäre reich, hätte er seine Namensrechte gewinnbringend vermarktet.

Für den Erkundung der Stadt und des Umlands hatten wir uns einen von vier Pilgerwegen ausgesucht, die einige der Sehenswürdigkeiten verbinden und einen Überblick über die reizvolle Landschaft bieten. Start war an der Wendalinusbasilika, einer spätgotischen Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert. Die Türme der Kirche prägen das Bild der Altstadt.

Cafés vor und um die Basilika laden bei schönem Wetter zum Verweilen ein
17 Meter ragt das gotische Kreuzrippengewölbe in die Höhe

In der reichen Ausstattung der Basilika sticht das Hochgrab des Heiligen hervor. Hinter dem Altar kann der Pilger unter dem Grab hindurchgehen und so den Segen des Heiligen auf sich “herabregnen” lassen.

Reliefs der Apostel schmücken beidseitig den Sarg des Heiligen Wendelinus

Die vor dem Altar stehende Tumba, in der wir zuerst das Grab vermutet hätten, dient lediglich als sogenannter Schautisch, auf dem die Lade mit den Gebeinen Wendelins bei besonderen Anlässen präsentiert wird.

Wer hier das Grab des Heiligen Wendelinus vermutet, liegt leider falsch

Nach einer weiteren kleinen Besonderheit mussten wir lange Ausschau halten. Vor dem Altar stehen auf einem Sandsteinbogen zwei kleine Kirchenmäuse – eine Idee, die der Pfarrer aus dem Trierer Dom mitgebracht hat.

Kirchenmäuse gelten als besonders arm – in der Kirche gibt es keine Vorräte gibt, die es wegzufuttern gilt

Nachdem wir die Kirche verlassen und unseren Wanderweg in Angriff nehmen wollten, sprach uns ein Mitarbeiter der Stadt St. Wendel an, der regelmäßig die Stadtführungen durchführt – er wies uns auf eine Inschrift an der Seitenwand der Basilika hin und erklärte, dass das Datum der Inschrift, die göttlichen Beistand gegen die Pest leisten soll, im Vers versteckt ist. Rechnet man die Großbuchstaben der lateinischen Lettern zusammen, erhält man das relevante Jahr. Um das Jahr korrekt auszuweisen, musste der Autor jedoch einen Kniff anwenden. Anstelle des lateinischen Wortes “trinitas” für “Dreifaltigkeit” wählte er die griechische Variante “trias”, da die Jahreszahl sonst (wegen der enthaltenen Anzahl des Buchstaben “i”) um ein Jahr zu hoch ausgefallen wäre.

Kurz durchzählen: M(1000) + V(5) + V(5) + V(5) + D(500) +I(1) + V(5) +I(1)+C(100) + L(50) + I(1) = 1.673

Nach dieser kleinen mathematischen Denksportaufgabe starteten wir unseren gut acht Kilometer langen Rundweg und passierten als erstes den Wendelinusbrunnen mit der Figur des Heiligen auf der Spitze.

Unverkennbar ist der Heilige als Hirte dargestellt

Von hier ging es weiter stadtauswärts zur hübschen im Rokoko-Stil ausgeschmückten Wendelinuskapelle, an der jedes Jahr an Pfingstmontag eine Pferdesegnung stattfindet.

Aus der Talsenke bergauf erreichten wir nach einiger Zeit den Gebäudekomplex der Steyler Missionare. Bereits 1898 wurde hier der Grundstein für eine bedeutende Ausbildungsstätte für Missionare gelegt. Kehrten Missionare alters- oder krankheitsbedingt aus dem Missionsland zurück, wurde St. Wendel zum Aufenthaltsort und Ruhesitz.

Blick auf den Gebäudekomplex der Steyler Missionare – aufgenommen auf dem Rückweg vom Wendelinushof

Zum Missionshaus gehört neben einer Buchhandlung auch eine Schule. Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden hier Missionare ausgebildet. Nachdem sich die Schule ab dem Schuljahr 1969/70 auch für externe Schüler geöffnet hatte und später auch Mädchen aufgenommen wurden, stieg die Zahl der Schüler bis auf heute rund 800 stark an.
Auf dem weiteren Weg in unmittelbarer Nähe zum Missionsgelände, kündigte ein Schild den Weg zur Lourdesgrotte an. Ebenso wie in den französischen Pyrenäen wird hier die Muttergottes verehrt und erhält Dankesbotschaften für ihre wohltätige Hilfe.

Etwas weiter bergan erreichten wir einen Friedhof, den wir zunächst fälschlicherweise als Soldatenfriedhof identifizierten. Erst durch Nachlesen klärte sich der Irrtum auf, es handelte sich vielmehr um den Friedhof der Steyler Missionare.

Auch im Tod sind alle gleich – bis auf die Unterscheidung, ob der Verstorbene zu Lebzeiten die Priesterweihe erhalten hat

Zur Halbzeit unseres Rundwegs erreichten wir den schon von weitem sichtbaren Wendelinushof. Das Gebäudeensemble, ursprünglich von den Steyler Missionaren als landwirtschaftlicher Betrieb und Ausbildungsstätte für junge Menschen genutzt, ist heute ein Ort, in dem Menschen mit Behinderung eine Arbeit im Hofladen, der Hofküche, der Gärtnerei oder der Viehzucht finden.

Kurze Pause gefällig?

Wir nutzten die Gelegenheit für eine Erfrischung mit hausgemachter Erdbeer/Rhabarber- bzw. Ingwer/Zitrone-Limonade, bevor wir unsere Wanderung fortsetzten.

Nach Überquerung des Fledermauskopfes mit herrlichem Rundumblick auf die hügelige Landschaft des St. Wendeler Landes ging es langsam bergab durch Wälder und an Feldern vorbei, in der Alex ein grasendes Reh entdeckte, das sich durch uns nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Hier kann man beobachten, wie die Erzeugung erneuerbarer Energien funktioniert
Immer schön aufmerksam bleiben

In der Ferne konnten wir bereits unser Ziel, die Wendelinusbasilika in der Altstadt, sehen. Bergab spazierten wir durch Wohngebiete zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Dort angekommen war natürlich eine kleine Stärkung im Café am Wendelinusbrunnen angebracht, bevor wir uns auf die Suche nach steinernen Kunstobjekten in der Umgebung von St. Wendel machten.

Die Straße der Skulpturen führt von St. Wendel zum Bostalsee und wurde als Idee einer völkerverbindenden Straße von dem aus St. Wendel stammenden Künstler Leo Kornbrust initiiert. Auf einer Fläche nahe Baltesweiler wurde in den Jahren 1971/72 der Grundstein mit einem internationalen Bildhauersymposium gelegt.
Auf den Wiesen finden sich überwiegend abstrakte Skulpturen, eines der Objekte ist allerdings eindeutig als überdimensionaler Fuß erkennbar.

Die Zehennägel sind ordentlich geschnitten

Wir schlenderten durch die Wiesen, um weitere Kunstobjekte und Sehenswertes am Wegesrand zu entdecken.

Immer schön fleißig

Den Greifvögeln der Umgebung liegt weniger an der künstlerischen Bedeutung der Skulpturen, sie nutzen diese als Ansitz für ihre Jagd.

Zum Abendessen fuhren wir nach Neunkirchen, parkten am Rande des Alten Hüttenareals und fanden einen Platz im Stumms Brauhaus, in dem wir uns “Gefillde” (mit Hackfleisch gefüllte Kartoffelklöße) und einen Salat mit Bratkartoffeln schmecken ließen.

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