Lügde (Weserbergland) 02.09. – Heute gibt es nichts als die Wahrheit – versprochen

Im Prospekt unserer Ferienwohnung wird Lügde als schnuckelige Stadt zwischen Teutoburger Wald und Weserbergland beschrieben. Ein kleiner Spaziergang sollte uns davon überzeugen, dass auch Lügde sich für seine Besucher schön herausgeputzt hat. Ein Grund dafür liegt auch sicherlich in der Ortsumgehung, die im Jahr 2010 eröffnet wurde und seitdem den Durchfahrtsverkehr aus der Stadt heraushält und das Leben in der Altstadt lebenswerter gemacht hat. An der Hauptstraße stehen Fachwerkhäuser mit einer großen Toreinfahrt, wie wir sie auch in anderen Städten schon gesehen hatten. Der Besitzer konnte so direkt mit seinem Wagen vorne beladen ins Haus hinein, hinten entladen und wieder hinaus fahren.

Auf der linken Seite das Heimatmuseum von Lügde
Die schön restaurierten Häuser in der Hauptstraße von Lügde
Die Emmer fließt an der Stadtmauer von Lügde entlang

Um 14 Uhr fand heute eine Stadtführung durch Bodenwerder statt, an der wir teilnehmen wollten. Werder bezeichnet eine Flussinsel, “Bodenwerder” war ursprünglich “Bodo‘s Insel inmitten der Weser”. Nach dem Zuschütten eines Weserarms liegt die Stadt mittlerweile nicht mehr mitten in der Weser, sondern an ihrem Ufer. Bodenwerder ist sicherlich den Wenigsten ein Begriff, ein berühmter Einwohner hat es aber garantiert in das kollektive Gedächtnis geschafft und das sogar über die Grenzten Deutschlands hinaus. Hier lebte der berühmte Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen – besser bekannt als “Baron Münchhausen” oder “Lügenbaron”.

Dieses Vorurteil versuchte unsere Gästeführerin auf ihrem rund 75minütigen Rundgang durch Bodenwerder zu entkräften. Ihrer Ansicht nach war er ein begnadeter Geschichtenerzähler, der seine Erzählungen lebendig ausschmückte und damit zu Unrecht den Namen “Lügenbaron” erhielt. Wie dem auch sei – sehr unterhaltsam sind die kleinen Geschichten auf alle Fälle.

In der Tradition des guten und phantasievollen Erzählers wird regelmäßig der Münchhausen-Preis verliehen, Preisträger waren in der Vergangenheit unter anderem Dieter Hildebrandt, Emil Steinberger, Dieter Hallervorden und zuletzt im Jahr 2018 Christoph Maria Herbst.

Der Start des Rundgangs war am Museum, das natürlich dem berühmtesten Bewohner der Stadt gewidmet ist.

Skulptur, die eigentlich in der Sparkasse stand. Da die Filiale geschlossen wurde, hat man die Figur ins Museum verfrachtet
Im unteren Stock ist die Tourist-Info untergebracht – darüber befindet sich das Münchhausen Museum

Gleich daneben steht der Gutshof der Familie von Münchhausen, wo Hieronymus 1720 als eines von acht Kindern geboren wurde und auch seinen Lebensabend verbrachte.

Das Geburtshaus des Barons von Münchhausen – gelogen hat der nicht, sonst hätten sich die Balken gebogen

Nachdem er im Alter von 13 Jahren an den braunschweigischen Hof nach Wolfenbüttel gegangen war, wurde er 1737 Page des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel und verbrachte die Jahre von 1738-1750 im Baltikum und in Russland. Unter den Adligen in Riga, wo er längere Zeit lebte, schätzte man seine ausgiebige und phantasievolle Erzählweise. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er die folgenden 40 Jahre sein Leben als Landedelmann in Bodenwerder verbrachte.

Erst als das Pferd Wasser soff und dieses auf der anderen Seite wieder hinauslief, merkte der Baron, dass er lediglich auf der vorderen Hälfte des Pferdes saß – mehr dazu hier
Enten lassen den Baron in die Lüfte hinauf steigen – mehr dazu hier
Darstellung des Ritts auf der Kanonenkugel – inklusive Wechsel der Kugel in der Luft – mehr dazu hier

Zu der Zeit von Münchhausen war Bodenwerder noch sehr einflussreich – die Stadt hatte Markt-, Münz-, Brauerei- und Apothekenrecht. Einige Häuser zeugen noch vom Reichtum vergangenen Zeiten. Die direkte Lage an der Weser verbunden mit wiederkehrendem Hochwasser und der Wegfall von Privilegien ließen den Wohlstand allerdings sinken.

Aus einer Zeit, als Bodenwerder noch florierte
Heute sorgt der Weserradweg und natürlich Baron von Münchhausen dafür, dass Besucher in die Stadt kommen. Wenn wegen Niedrigwasser die Ausflugsschiffe nicht fahren, sieht es allerdings schlecht aus

Einen besonders schönen Platz für die anschließende obligatorische Rast hatte Alex in der Schlosswirtschaft in direkter Nachbarschaft des Wasserschlosses Hehlen ausgesucht. Mit Blick auf die dahin fließende Weser und die am anderen Ufer strampelnden Radtouristen genossen wir auf der Terrasse unseren Nachmittagskaffee.

Unser Blick von der Terrasse Richtung Weser

Auch die schönste Zeit geht mal zu Ende, wir brachen zum letzten Ziel des heutigen Tages auf, nach Holzminden. Die Stadt ist nicht mit touristischen Highlights gesegnet, besitzt aber trotzdem eine ansehnliche Altstadt. Den Verantwortlichen der Stadt dürfte dies allerdings keine großen Sorgen bereiten, haben sich doch im Laufe der Zeit Unternehmen von Weltrang hier angesiedelt, unter anderem Stiebel Eltron (Elektroindustrie), Müller+Müller (Hersteller von Röhrenglas für Pharmaindustrie) und die Firma Symrise, ein Unternehmen von Weltrang auf dem Markt der Duft- und Geschmacksstoffe. Symrise schreibt auf seiner Homepage, dass der normale Konsument im Schnitt 20-30 mal pro Tag mit seinen Produkten in Berührung kommt. Die Größe des Unternehmens geht auf das Jahr 1876 zurück, als in Holzminden ein Verfahren zur Herstellung von Vanillin aus Coniferin erfunden wurde. Nach und nach kamen mehr Duft- und Geschmacksstoffe hinzu.

Holzminden wirbt daher mit dem Slogan “Stadt der Düfte”: An markanten Stellen der Stadt wurden Geruchs-Säulen errichtet, an denen die geschulte Nase künstlich hergestellte Duftstoffe erschnüffeln kann.

Oben die Beschreibung der Sehenswürdigkeit, unten die des zu erschnüffelnden Duftes

Zumindest ein Bild aus der Altstadt von Holzminden gibt es dann doch noch zu sehen. Das Foto zeigt das sogenannte Reichspräsidentenhaus. In Gedenken an den verstorbenen Reichspräsidenten Ebert und die ermordeten Minister Erzberger und Rathenau sollte ein Gedenkstein errichtet werden. Die Stadtverwaltung regte an, ein Jugendheim und Wohnungen für Kriegshinterbliebene mit in die Planungen einzubeziehen und so entstand das Torhaus, dessen Inschrift auf der Außenseite sich mehrfach änderte und damit die wechselvolle Geschichte Deutschlands zeigt. Seit 1990 steht dort “Einigkeit, Recht, Freiheit”.

Reichspräsidentenhaus

Hoffentlich ohne Geschmacks- und Duftstoffe kam unser Restaurant heute Abend aus. Nachdem wir leider keinen Platz mehr im Weserstübchen direkt an der Weser bekommen hatten, liessen wir es uns im thailändischen Restaurant Tung Sam schmecken.

Von außen historisch, von innen nüchtern und schlicht – auf den ersten Blick würde man kein thailändisches Restaurant vermuten
Schön angerichtet und ganz lecker – eventuell ein bisschen weniger Süße hätte dem Curry gut getan

Wir sind gespannt, was uns morgen auf dem Weg Richtung Westen erwartet – auf alle Fälle hat die Wettervorhersage ein größeres Regengebiet angekündigt.

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