Chemnitz 15.04. – Ein Tag und drei Museen

Ostern 2022, die Corona-Pandemie scheint sich (vorerst) dem Ende zu nähern, die Inzidenzen fallen aktuell unter die Marke von 1000 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner, und so boten sich die freien Tage von Karfreitag bis Ostermontag zu einem Kurztrip an. Alex hatte beim vorherigen Besuch der Ausstellung “Brücke und Blauer Reiter” im Von der Heydt- Museums Wuppertal gesehen, dass die Sammlung anschließend in Chemnitz gezeigt wird – bisher ein weißer Fleck auf unserer Landkarte und im Jahr 2025 Kulturhauptstadt Europas. Ein Grund für uns, die Stadt als Ziel unserer diesjährigen Osterreise auszuwählen.

Zunächst ein bisschen etwas zur Geschichte der Stadt. Die drittgrößte sächsische Stadt am Fuße des Erzgebirges wurde erstmals 1143 urkundlich erwähnt. Im 17. Jahrhundert arbeitete mehr als ein Drittel der Bevölkerung in der Textilherstellung. Durch erste Versuche fabrikmäßiger Produktion und des Einsatzes von Maschinen erlebte der Industriezweig in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Im 19. Jahrhundert wurde Chemnitz zu einem nationalen Zentrum der Textilproduktion und des Maschinenbaus, dessen Erzeugnisse zu den begehrtesten in aller Welt gehörten – Chemnitz wurde als das “sächsische Manchester” bezeichnet. Im Jahr 1936 verlegte die Auto Union GmbH ihren Sitz nach Chemnitz, der Fahrzeugbau und damit der Automobilbau wurde zum bestimmenden Produktionszweig in Chemnitz. Nach großflächiger Zerstörung im 2. Weltkrieg und Wiederaufbau entwickelte sich Karl-Marx-Stadt, wie die Stadt von 1953-1990 hieß, zum Zentrum des DDR-Maschinenbaus.

Bereits auf der gestrigen viereinhalbstündigen Fahrt nach Chemnitz verfinsterte sich der Himmel kurz vor unserem Ziel und der Regen gab einen Vorgeschmack auf das, was uns heute erwarten sollte – ein idealer Tag, um die Museen der Stadt zu erkunden. Nach dem Frühstück ging es los im Museum Gunzenhauser, wo wir gleich ein Kombiticket für weitere Museen der Stadt erwarben, um in den folgenden drei Tagen die Henry van de Velde Museum in der Villa Esche sowie die Kunstsammlungen am Theaterplatz besichtigen zu können.

Das Museum Gunzenhauser, untergebracht in einem ehemaligen Gebäude der Sparkasse Chemnitz, beherbergt seit 2007 die Sammlung des Münchner Kunstsammlers Alfred Gunzenhauser.

Wohin wohl die Sparkasse gezogen ist?

Wir arbeiteten uns vom dritten Stock mit der Kunst um 1900 über den zweiten Stock mit Werken von Otto Dix und der Neuen Sachlichkei bis zur Sonderausstellung im ersten Stock mit Gemälden von Max Peiffer Watenphul.

Der 3. Stock – Kunst um 1900 – Brüche und Widersprüche

Auch der Übergang zwischen den einzelnen Stockwerken des Museums war ein Foto wert

2. Stock: Otto Dix und die Neue Sachlichkeit

Sonderausstellung zu Max Peiffer Watenphul – Vom Bauhaus nach ltalien

Eine ganz andere Kunst erwartete uns im Anschluss beim zweiten Museumsbesuch des heutigen Tages in der Villa Esche. Das Haus des Textilfabrikanten Herbert Eugen Esche wurde in den Jahren 1902/1903 nach den Entwürfen des belgischen Architekten Henry van de Velde gebaut. Ab 1952 wurde das Gebäude durch das Ministerium für Staatssicherheit genutzt, bevor es zur Bildungseinrichtung umfunktioniert wurde und ab 1989 leer stand. Nach aufwendiger Restaurierung wird das Haus heute als Tagungsstätte und Eventlocation genutzt und beherbergt das erste Henry van de Velde Museum Deutschlands.

Über die Farbwahl der Fassade könnte man streiten, aber ansonsten würden wir es nehmen

Nach dem informativen Rundgang gönnten wir uns im Restaurant Villa Esche gleich nebenan eine kurze Verschnaufpause und kleine Erfrischung bevor wir unseren Museumstag fortsetzten.

Einen ganz anderen Blick auf die bewegte Geschichte von Chemnitz lieferte uns das Sächsische Industriemuseum mit einer Vielzahl von Exponaten aus der Wirtschaftsgeschichte Sachsens, vom Bergbau über die Textilindustrie bis hin zum Maschinenbau und der modernen Automobilfabrikation. Die ehemalige Gießerei Escher, in der sich das Museum befindet, wurde ab 1999 aufwendig umgebaut und erzählt heute auf über 4.500qm Ausstellungsfläche die wechselhafte Geschichte von Sachsens Wirtschaft.

Neben den Exponaten zur Mobilität wurde die Geschichte von Rechenmaschinen anschaulich dargestellt – vom Abakus bis zu Computern aus DDR-Produktion, die sich erstaunlicherweise nicht auf dem Weltmarkt behaupten konnten.

In der Textilstraße im Untergeschoss geben Maschinen Einblick in die Entwicklung der maschinellen Texilfabrikation seit dem 18. Jahrhundert. Eine Museumsmitarbeitern zeigte interessierten Gästen die ausgeklügelte Funktionsweise der Maschinen. So lernten wir zum Beispiel die Herstellung von Jacquard-Stoffen kennen, deren Maschinen mittels Lochkarten textile Muster fertigen. Oder die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Weben, Stricken oder Wirken. Auch wenn die Verfahren im Detail nicht immer leicht zu verstehen waren, war der Einfallsreichtum der Maschinenhersteller äußerst beeindruckend.

Im Anschluss blieb uns noch eine halbe Stunde Zeit durch die Sonderausstellung zur Tabak- und Zigarettenherstellung in Sachsen zu spazieren und dabei zu entdecken, welch hohen Stellenwert dieser Wirtschaftszweig in der Vergangenheit hatte.

Zum Abschluss des Tages ließen wir uns köstliches indisches Essen im Restaurant Delhi Palast munden. Mit vielen interessanten Eindrücken beendeten wir den ersten Tag unseres Aufenthalts und hoffen für morgen auf besseres Wetter, um einen Spaziergang durch die Stadt machen zu können.

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