Chemnitz 18.04. – Zwischenstopp in Weimar

Henry van de Velde hat nicht nur Spuren in Chemnitz hinterlassen, auch in der Nähe von Weimar finden sich Zeugnisse seiner vielfältigen Begabung. In den Jahren 1907/1908 ließ er drei Kilometer südlich von Weimar das Haus seiner Familie nach eigenen Entwürfen errichten, die äußere Gestalt des Gebäudes wurde aus dessen innerer Struktur heraus entwickelt. Mit dem Haus Hohe Pappeln verwirklichte er ein Gesamtkunstwerk, das Architektur, Raumausstattung und bildende Kunst harmonisch zusammenführt. Bis ins Jahr 1917 lebte er mit seiner Frau und den fünf Kindern hier, bis er aufgrund wachsender Ausländerfeindlichkeit im Zuge des Ersten Weltkriegs Deutschland verlassen musste.

Haus Hohe Pappeln – Wohnhaus Henry van de Velde

Heute zu besichtigen ist die Bel Etage mit dem ehemaligen Wohnbereich der Familie. Die Einbaumöblierung wurde nach historischem Vorbild aufwendig rekonstruiert. Da das Mobiliar mit dem Auszug van de Veldes ins Ausland gelangte, sind heute Möbel zu sehen, die van de Velde 1903 für den Dramatiker Max von Münchhausen entwarf.

Als einzige Besucher war es bei unserem Rundgang sehr ruhig, ganz im Gegensatz zur Zeit Henry van de Veldes. Im Audioguide erfuhren wir, dass das familiäre Zusammenleben nicht immer unkompliziert war – van de Velde ließ sich bei einem Freund über die lärmenden Kinder aus, die es ihm unmöglich machten, konzentriert zu arbeiten.

Warum Henry van de Velde überhaupt in die Provinz nach Weimar zog, erfuhren wir später bei unserem Besuch des Museums Neues Weimar, das 1999 seine Pforten öffnete und nach Wechselausstellungen bis 2017 seit 2019 die Dauerausstellung “Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900” präsentiert.

Das ehemalige Großherzogliche Museum, errichtet in den Jahren 1864-1869

Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar engagierte 1902 Henry van de Velde, um das im sachsen-weimarischen Raum völlig darniederliegende Handwerk neu zu beleben. Am 1. April 1908 gründete Henry van de Velde mit der Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar eine private Lehranstalt, die bis zum 30. September 1915 in Weimar bestand.

Beim Rundgang durch das Museum werden ausgehend von Friedrich Nietzsche als Vordenker und Kultfigur wichtige Positionen der frühen Moderne in Weimar vorgestellt. Hierzu zählen die Werke der Weimarer Malerschule und der von Harry Graf Kessler geförderten Avantgarde von Claude Monet bis Max Beckmann. Mit zahlreichen Exponaten wird das funktionale wie elegante Design Henry van de Veldes präsentiert.

Rodin im Vordergrund und im Hintergrund links – rechts hängt Monets Blick auf die Kathedrale von Rouen im Morgennebel

Am Ende der Rundgangs wurden Möbel- und Einrichtungsgegenstände aus unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Werkstätten Europas präsentiert, alle aus der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Tischgeschirr, von Peter Behrens entworfen

Noch eine letzte Bemerkung zur Großherzoglichen Kunstschule: Das Nachfolgeinstitut der Großherzoglichen Kunstschule und der von van de Velde geleiteten Kunstgewerbeschule war das Staatliche Bauhaus Weimar. Dessen Gründungsdirektor wurde 1919 auf Vorschlag van de Veldes Walter Gropius – van de Velde ebnete also den Weg für das Bauhaus, dessen Ideen von Weimar aus die Welt eroberten.

Eindrücke vom Marktplatz in Weimar

Vor unserer Heimfahrt spazierten wir zum Marktplatz und warfen einen Blick auf die schönen Häuser rund um den Platz. Nach einer Stärkung im Eiscafé war es auch Zeit, Abschied zu nehmen von der Kultur, Architektur und den schönen Eindrücken des Osten Deutschlands. Wir kommen gerne wieder!

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