Vor kurzem hat der “Economist” Melbourne zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. Bewertet wurden über 30 Kriterien wie Kultur-, Bildungs- und Sportangebote, Umwelt, Infrastruktur, politische sowie soziale Stabilität, Bevölkerungsdichte, innerstädtische Grünflächen, Internationalität und Unterhaltung – übrigens schaffte es keine deutsche Stadt unter die ersten zehn. Auf unserem heutigen dreistündigen geführten Stadtrundgang mit Free Walking Tours konnten wir uns selbst ein Bild machen.
Doch bevor der Rundgang um 14:30 Uhr an der Nationalbibliothek des Staates Victoria startete, stand für uns noch ein Abstecher zum Queen Victoria Market auf dem Programm: eine riesige Fläche mit verschiedenen Gebäuden, auf der neben Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch auch Kleidung und Souvenirs einen neuen Besitzer suchen.
Auf dem Weg zum Queen Victoria Market mussten wir 20 Minuten auf den Touristenbus warten und kamen an der Haltestelle mit einem älteren Ehepaar aus Dorset/Südengland ins Gespräch – beide gesegnet mit dem typisch britischen Humor. Im Bus saßen sie hinter uns und erzählten, ihr nächstes Ziel nach Melbourne sei – genau wie unseres – die Great Ocean Road. Als der Busfahrer kurz darauf den Bus für einen kurzen Stopp bei laufendem Motor verließ, überlegten wir vier kurz, den Bus zu kapern und den bisherigen 13 Haltestellen in Melbourne noch zig weitere bis nach Allensford (dem Ende der Great Ocean Road) hinzuzufügen :-).
Zurück zum Stadtrundgang am Nachmittag:
Treffpunkt war um halb drei an der Nationalbibliothek, die wir zuvor auch kurz von innen besichtigt haben:
Unsere Stadtführerin Ellen war im Verlauf des Spaziergangs immer gut an ihrem Hut und ihrem grünen Shirt zu erkennen. Für den Rundgang gab es keinen festen Preis, am Ende der Tour konnte man selbst entscheiden, wie viel einem die Führung wert war und was man zu zahlen bereit ist.
Auf dem Weg durch die Stadt gab es viel Interessantes zu erfahren:
- So zum Beispiel zur Gründung und Namensgebung der Stadt: Als einer der beiden Gründer der Stadt gilt John Batman, der im Jahr 1835 den in dem Gebiet lebenden Aboriginies 240.000 Hektar Land abkaufte. Hätte man sich im Jahr 1837 nicht dazu entschieden, den Namen des damaligen Premierministers von England zu verwenden, würde Melbourne heute vielleicht Batman City heißen – im Stadtwappen wäre dann sicher eine Fledermaus zu sehen.
- Melbourne und Sydney stehen im ständigen Wettbewerb um die Vorherrschaft in Australien. Dies führte unter anderem zur Gründung von Canberra, als man sich zwischen den beiden nicht auf eine Hauptstadt einigen konnte und kurzerhand eine komplett neue Stadt gründete und diese zur Hauptstadt erklärte.
- Der Wettstreit führte auch zum Bau des Opernhauses von Sydney. Als Melbourne im Jahr 1956 als erste Stadt der Südhalbkugel die olympischen Spiele ausrichtete, überlegte man in Sydney, wie man die Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit wieder zurück nach Sydney lenken könne: mit dem Bau des Opernhauses ist es ihnen wohl eindrucksvoll gelungen.
- Dafür gilt Melbourne als die Sport-Hauptstadt Australiens. Neben den “Australien Open” im Tennis ist die Stadt Ausrichter des Formel 1 Rennens und besitzt mit 100.024 Zuschauerplätzen eines der größten Stadien der Welt. Dort werden vor allem Spiele im Australien Football, einer mit Rugby verwandten Sportart, und Cricket ausgetragen. Also alles Sportarten, mit denen man bei uns Niemanden begeistern würde.
- Sydney versuchte wiederum die sportliche Vormachtstellung Melbournes im Jahr 2000 mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele zu durchbrechen. Für eine gewisse Zeit lang war dies sehr erfolgreich.
Es wird also beim ewigen Hin und Her bleiben.
Auf dem Spaziergang gab es nicht nur viel Interessantes zu hören, sondern auch zu sehen, unter anderem eine Tierart, die wir bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatten. In den Carlton Gardens hatte man die Bäume mit einem ein Meter breiten Plastikband ummantelt, um die dort lebenden Fuchskusus (hier “Brushtail Possums” genannt), die Schäden an den Bäumen anrichten, von diesen fernzuhalten. Dies gelang jedoch nicht überall, wir bekamen ein wenn auch mit deutlichen Kampfspuren gezeichnetes Exemplar dieser Gattung zu sehen:
Der Rundgang führte nach den Carton Gardens weiter zum “Royal Exhibition Building”, einem Gebäude, das zum Anlass der Weltausstellung 1880 gebaut wurde und zu der Zeit das größte Gebäude Australiens war. Seit 2004 gehört es zum Weltkulturerbe der UNESCO. Interessanterweise lag die Gründung der Stadt zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 43 Jahre zurück. Die rasante Entwicklung der Stadt ist auf Goldfunde in der Umgebung zurückzuführen.
Weiter ging es durch das chinesische Viertel:
Melbourne gehört zu den internationalen Graffiti-Metropolen und viele Street Art-Künstler haben sich bereits an den Wänden der Stadt verewigt. Dafür wurden bestimmte Straßen freigegeben, die von Straßenkünstlern für ihre Werke genutzt werden können. Neben gewöhnlichen “Schmierereien” sind aber auch schöne und aufwändige Bilder mit dabei.
Die sogenannten Lanes, in denen man auch die oben fotografierten Graffitis zu sehen bekommt, bieten zusammen mit den überdachten Arkaden jede Menge Platz für kleine Boutiquen, Restaurants und Cafés.
Kurz vor Schluss ging die Tour durch die Flinders Street zum Federation Square, der 2009 unter den 10 hässlichsten Gebäuden der Welt zu finden war – heutzutage hat man sich wohl damit arrangiert:
Melbourne besitzt seit dem 1. Oktober 2004 auch eine AC/DC Lane als Würdigung der australischen Rockband. Bereits am 23. September 1976 drehte die Band ihr Video zu dem Song “It’s a long way to the top (if you wanna Rock’n’Roll)” auf der Ladefläche eines Trucks durch die Swanston Street in Melbourne fahren: