Carovigno, 08.09. – Barocke Pracht im Überfluss

Der Stiefelabsatz Italiens nimmt die Provinz Salento ein, deren Hauptstadt Lecce das Ziel unseres heutigen Ausflugs war. Dass Lecce heutzutage so viele Touristen in ihren Bann zieht, ist vor allem der ungebremsten Bautätigkeit im 16. und 17. Jahrhundert zu verdanken. Kaiser Karl V. erklärt Lecce zum Verwaltungszentrum des Salento und ordnete eine Befestigung der Stadt gegen die drohenden Überfälle der Türken an. Die Stadt erlebte in Folge dessen einen Einwohneranstieg und eine komplette Neugestaltung im zu der Zeit vorherrschenden Stil des Barock.

Als Dank an Karl V. hat man ihm die Porta Napoli, eines der mittelalterlichen Stadttore, als Triumphbogen gewidmet – die Insignien der Habsburger prangen oberhalb der Durchfahrt. Gesehen hat Karl V. das Stadttor allerdings nie, er hat Lecce nie einen Besuch abgestattet.

Im Gegensatz zu Karl V. schritten wir heute durch das Tor in die Stadt

Zweite Säule der regen Bautätigkeit im 17. Jahrhundert war die katholische Kirche, die im Zuge der Gegenreformation die Bevölkerung vom wahren Glauben zu überzeugen versuchte und dies mit prachtvollen Gotteshäusern in die Tat umsetzte. Ein Zeugnis dessen findet sich auf der zentralen Piazza del Duomo, auf der sich Dom Santa Maria dell’Assunta, Priesterseminar und der Bischofspalast rund um den Platz gruppieren. Überragt wird das Ganze vom 68m hohen Campanile, dem Glockenturm des Doms. Als wir am Abend Eintrittskarten für den Dom erwarben, konnten wir uns von der Lautstärke der schlagenden Glocken überzeugen, die eine Konversation mit der Frau am Verkaufsschalter nahezu unmöglich machte.

Ungewöhnlich, dass der Dom sowohl auf der Westfassade als auch auf der Seite, von der man den Platz betritt, eine Schaufassade besitzt

Bischof Pappacoda ließ im 17. Jahrhundert nicht nur eine neue Kathedrale errichten, die den Vorgängerbau aus dem 12. Jahrhundert ersetzte, er sorgte auch dafür, dass die aus dem Orient stammende Stadtpatronin Heilige Irene durch den Heiligen Oronzo ausgetauscht wurde, der die Stadt vor der Pest bewahrt hatte. Und so findet sich auf der Seitenfassade des Doms die Figur des Oronzos, der sich das Geschehen auf der Piazza genau anschaut.

Die Seitenfassade des Doms ist weitaus prächtiger als der eigentliche Eingang an der Westseite
Statue des Heiligen Oronzo, dessen Anwesenheit wohl ausschließlich gegen die Pest wirkt – gegen Covid kann auch er nichts ausrichten

Die Besichtigung des Dominneren mussten wir auf später verschieben, da gerade eine Trauung auf dem Programm stand. Außerdem hatten wir noch keine Eintrittskarte erworben: Für die Besichtigung von fünf Bauwerken in der Stadt ist seit 2019 der Erwerb eines Tickets von 9 EUR notwendig. Vermutlich ist nur so die Erhaltung der barocken Pracht irgendwie möglich – auch wenn es ungewöhnlich ist, dass in Italien Eintritt für Kirchen genommen wird.

Wir spazierten auf der Suche nach einem Café durch die Altstadtgassen bis zur zentralen Piazza Sant’Oronzo, wo normalerweise der Schutzheilige der Stadt auf der Colonna di Sant’Oronzo steht – aktuell muss die Säule jedoch ohne ihren Namensgeber auskommen. Die Säule ist im Übrigen deutlich älter als der Schutzheilige der Stadt. Sie markierte ursprünglich das Ende der Via Appia und stand in Brindisi. Als sie jedoch an ihrem ursprünglichen Platz umstürzte, wurde sie als Geschenk im 17. Jahrhundert nach Lecce transportiert. Sie passt an ihrem neuen Platz sehr gut zu dem in den 1930er Jahren zu einem Teil ausgegrabenen römischen Amphitheater aus dem zweiten Jahrhundert. Die Größe des Theaters mit 20.000 Sitzplätzen lässt erahnen, dass die Stadt bereits zu römischer Zeit eine wichtige Funktion innehatte.

Im Sommer Bühne für Theateraufführungen und Konzerte

Nach einer Erfrischung spazierten wir zurück zur Piazza Duomo, um uns den Dom nun von innen anzuschauen. Einmal falsch abgebogen mussten wir einen längeren Umweg in Kauf nehmen, um zum einzigen Eingang auf den Domplatz zu gelangen. Nach dem Kauf der Eintrittskarten konnte es losgehen, die überbordende barocke Pracht des Doms von innen anzuschauen.

Kurz vor 19 Uhr machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant für’s Abendessen. In der immer gleichen Abfolge von Pasta und Pizza war heute wieder Pizza an der Reihe. Die Pizzeria Storico sollte zwar erst in zehn Minuten öffnen, die Mitarbeiter waren jedoch so flexibel, uns auch schon vorher einen Platz anzubieten. Während im Hintergrund das Fußballspiel von AS Rom bei Ludogorez Rasgrad aus Bulgarien (peinlicherweise verlor des Team von José Mourinho mit 1:2) lief, ließen wir uns die Pizza schmecken.

Im Anschluss warfen wir nochmal einen Blick auf den abendlich beleuchteten Domplatz und lauschten dem Pianospieler, der die schöne Szenerie mit italienischen Klassikern untermalte.

Auch mit abendlicher Beleuchtung kann sich der Dom sehen lassen

Die gezahlten 9 EUR Eintrittsgeld sollten sich lohnen, also schlenderten wir weiter zur Chiesa di Santa Chiara. Nach einem kurzen Blick in das Kircheninnere zog es uns zu deutlich weltlicheren Dingen. Laut Reiseführer bietet die Pasticceria Natale gleich um die Ecke der Piazza Sant’Oronzo ein hervorragendes Eis. Nach einem subjektiven Test können wir dies zweifelsfrei bestätigen.

Santa Chiara von innen – erst im Reiseführer lasen wir, dass die Decke vermutlich aus Kostengründen vollständig aus Pappmaché besteht.
Wir hielten sie ebenso für eine Holzkonstruktion wie in den anderen Kirchen
Bei den vielen Eissorten fällt die Entscheidung gar nicht leicht

Ein kurzer Blick auf die nächtliche Piazza Sant’Oronzo zeigte uns, dass der Stadtheilige seinen Platz auf der Säule noch immer nicht eingenommen hatte. Das Leben zu seinen Füßen hatte im Vergleich zum Nachmittag aber deutlich zugenommen, auch wenn im Amphitheater heute keine Veranstaltung stattfand.

Das Meisterwerk des Lecceser Barocks, die Basilika Santa Croce mit dem angrenzenden ehemaligen Cölestiner-Kloster, hatten wir uns bis zum Schluss aufgehoben. Die Kirche ist von außen so reichhaltig dekoriert, dass es einiges zu entdecken gibt. Der Bau der Kirche zog sich über 150 Jahre hin, drei Architekten waren beteiligt. Die Balustrade wird unter anderem von Figuren gestützt, die türkische Gefangene und somit den Sieg des Christentums über die Heiden symbolisieren. Hilfe bekommen die Heiden von fantastischen und allegorischen Tieren.

Lecceser Barock in Vollendung – die Basilika Santa Croce

Das Innere der Kirche ist nicht weniger opulent dekoriert. Die Gewölbe des Kirchenschiffs werden von zwei Säulenreihen getragen. In den rechten und linken Seitenschiffen finden sich reich verzierte barocke Altäre, die Heiligen oder Szenen aus der Bibel gewidmet sind.

Vorbei an Restaurants und Bars, in denen die Gäste die langsam sinkenden Temperaturen genossen, traten wir den Weg zum Parkplatz an.

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