Carovigno, 10.09. – Von draußen vom Meer da komm’ ich her

Seinen angestammten Platz auf der Terrasse des Ferienhauses musste Jochen heute nach dem Frühstück hart erkämpfen. Eine der drei Hauskatzen hatte es sich auf der Liege gemütlich gemacht, war von der Idee diesen Platz zu räumen, überhaupt nicht angetan und benötigte ordentlich Nachdruck, um sich einen anderen Platz für ein Schläfchen zu suchen.

Nicht mehr lange wird hier ungestört vor sich hingedöst

Das Tagesprogramm verlief ähnlich wie das der letzten Tage auch, gegen Nachmittag brachen wir zu einem Ausflug auf – heute stand Bari, die Hauptstadt Apuliens, auf dem Programm. Bisher hatten wir sie nur im Vorbeifahren nach unserer Ankunft am Flughafen zur Kenntnis genommen.

Der Corso Vittorio Emanuele II teilt die Stadt in zwei Hälften. Nördlich davon erstreckt sich die Altstadt mit verwinkelten und schmalen Gassen, südlich breitet sich das schachbrettartig angelegte Straßensystem der Neustadt aus. Laut Reiseführer hat die Altstadt eine positive rasante Entwicklung in den letzten 10 Jahren genommen. Mit Unterstützung der EU wurden Häuser restauriert, Pensionen für Gäste und Restaurants eröffnet und so empfängt die Altstadt Baris seine Besucher heute mit offenen Armen. Beim Gang durch einige abgelegene Gassen der Altstadt waren wir froh, nicht vor zehn Jahren hier gewesen zu sein.

Wir starteten von unserem Parkplatz am Fuße der alten Stadtmauer zu unserem Rundgang und steuerten als Erstes die Attraktion an, wegen der seit 1089 Menschen die Stadt besuchen: In diesem Jahr wurden die sterblichen Überreste des Heiligen Nikolaus von Myra, einer Stadt in der heutigen Türkei, per Schiff nach Bari gebracht – wobei “gebracht” netter klingt als “gestohlen”. Der Heilige hatte nach seinem Tod am 6. Dezember (das genaue Jahr ist nicht bekannt, war aber bereits Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr.) posthum Wunder gewirkt und dies erhoffte man sich natürlich auch in Bari. Für die Gebeine wurde eine eigene Kirche, die heutige Basilika San Nicola gebaut. Da man im 11. Jahrhundert jedoch bereits mit San Sabino einen Schutzheiligen für die Stadt und eine Kathedrale besaß, wurde der neu gebauten Kirche zu Ehren des Heiligen Nikolaus der Status einer Basilika verliehen.

Die unvollendeten Türme tragen neben der schmucklosen Fassade zusätzlich zum gedrungenen Erscheinungsbild der Kathedrale bei
So stellt man sich einen Heiligen aus dem 4. Jahrhundert vor

Außen eher schlicht gehalten fallen vor allem die beiden Ochsen auf, die aus der Fassade ragen, eventuell handelt es sich dabei um Überbleibsel des Vorgängerbaus, die in die Fassade der neuen Kirche integriert wurden. Auf der Rückseite der Kirche sind seltsamerweise zwei Elefanten Teil der Fassade.

Im Innern ebenfalls eher schlicht, erblickt der Besucher im Chor den Bischofsstuhl für Bischof Elias, im Jahr 1098 aus einem einzigen Marmorblock gefertigt. Während sarazenische Sklaven mit schmerzverzerrtem Gesicht den Thron tragen, findet sich dazwischen ein fröhlich lächelnder Pilger, dem die Last offensichtlich nichts ausmacht.

Für den Pilger scheint es kein Problem zu sein, die Last des Bischofsstuhls zu tragen – vielleicht auch, weil die Sarazenen die Hauptlast schultern

Der Hauptanziehungspunkt für die Besucher und Pilger liegt jedoch in der Krypta der Kirche. Hier befindet sich das Grab des Heiligen Nikolaus. Gläubige vertrauen darauf, dass ihre Geldspenden und die auf kleine Zettel geschriebenen Wünsche und Bitten mit Unterstützung des Heiligen in Erfüllung gehen.

Blick in die Krypta der Basilika San Nicola
Hinter dem alarmgeschützten Gitter (das Grab soll nach über 1000 Jahren nicht erneut geplündert werden) liegen die Gebeine des Heiligen Nikolaus
So prunkvoll wie hier dargestellt war die Überfahrt von Myra im Jahr 1087 sicher nicht

Eine der die Krypta tragenden Säulen wurde eine besondere Heilswirkung zugesprochen. Angeblich war diese Säule über den Tiber und Myra bis nach Bari gelangt, um dort als eine der Säulen die Krypta als letzte Ruhestädte des heiligen Nikolaus zu tragen. Pilger berührten sie beim Besuch des Grabes und brachen als Souvenir kleine Stücke aus der Säule heraus. Dies führte dazu, dass die Säule zunächst verstärkt und 1956 dann durch eine neue ersetzt werden musste.

Nach dem Kirchenbesuch ist bekanntlich in Italien vor dem nächsten Kirchenbesuch und so führte uns unser Spaziergang durch die Altstadtgassen von Bari zur Kathedrale San Sabino. Auf dem Weg dorthin sahen wir an einer Ecke eine Ansammlung von Menschen, die an zwei Ständen für einen Snack Schlange standen. An einem Fenster bekam man Sgagliozze, frittierte und gesalzene Polentascheiben, was im anderen Topf frittiert wurde, konnten wir leider nicht identifizieren – es waren auf alle Fälle zehn kleine Bällchen für 2 EUR.

Als ob Pizza und Pasta nicht bereits kalorienreich genug sind, gibt es hier noch frittierte Snacks

Die äußerliche und innere Ähnlichkeit von San Sabino mit der Basilika San Nicola ist auf die ähnliche Entstehungszeit zurückzuführen. Die Kirche wurde ebenfalls im 12. Jahrhundert auf den Grundmauern einer zerstörten Vorgängerkirche errichtet.

Im Gegensatz zu San Nicola konnte man sich hier einen Glockenturm leisten

Die barocke Auskleidung wurde später wieder entfernt, nur in der Krypta wurde der Barockschmuck belassen und bildet so einen ordentlichen Gegensatz zum schlichten Kircheninnern. Die Gebeine des Heiligen Sabino befinden sich jedoch nicht wie vermutet hier in der Krypta, sondern in der Kathedrale von Canosa di Puglia.

Eindeutig kein Barock im Kircheninnern
Eindeutig Barock in der Krypta

Nach so vielen Heiligengeschichten suchten wir uns einen Platz in einem Café auf der Piazza del Ferrarese und lauschten notgedrungen den Ausführungen eines deutschen Touristen am Nachbartisch, der seinen drei Begleitern allerlei Geschichten aus seiner jahrelangen geschäftlichen Erfolgsgeschichte zum Besten gab – zwar keine Heiligengeschichten, aber vielleicht auch ein wenig dick aufgetragen.

Chinotto – eine Limonade auf Basis der Bitterorange Chinotto,
wie vieles in Italien (z.B. Crodino oder Aperol) mit leicht bitterem Geschmack

Danach war es Zeit, den Corso Vittorio Emanuele zu überqueren, in die Neustadt zu wechseln und ein Restaurant für das Abendessen zu suchen. Beim Gang entlang der zentralen und verkehrsberuhigten Einkaufsstraße Via Sparano hatten wir das Gefühl, dass mindestens die Hälfte der 300.000 Einwohner der Stadt heute zum Shoppen unterwegs war.

Palazzo Mincuzzi – schon seit seiner Errichtung im Jahr 1928 Kaufhaus und heute Herberge einer Benetton Filiale
Ordentlich was los auf der Shopping-Meile

In einer kleinen Seitenstraße fanden wir die Pizzeria Murattiana und hatten Glück, dass wir noch einen Tisch bekamen, ab 21 Uhr waren alle Tische reserviert. Die verbleibenden 75 Minuten reichten uns aber allemal für Pizza und Espresso aus.

Auf dem Rückweg in die Altstadt stellten wir fest, dass sich auch dort die Restaurants mittlerweile alle bis auf den letzten Platz mit Besuchern gefüllt hatten. Auf dem Platz vor der Kathedrale fanden wir einer Bar noch einen freien Tisch und genossen in der schönen Atmosphäre den späten Abend.

Nicht erst auf dem Rückweg zum Auto fielen uns die vielen jungen Mädchen und Frauen auf, die alle dem modischen Diktat folgend in kurzem Rock und hohen, teilweise unförmigen Stiefeln unterwegs waren. Wer von uns hätte nach dem Boom der Gauchos in den 1980er Jahren gedacht, dass Stiefel, insbesondere im Sommer, wieder in Mode kommen würden? Bequem sahen sie auf alle Fälle nicht aus, und auch wenig geeignet für Temperaturen um die 30 Grad – aber Mode soll ja nicht funktional sein.

Beim Ausziehen der Stiefel bitte Nase zuhalten
Ein letzter Blick von der Stadtmauer auf den Yachthafen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert