Carovigno, 15.09. – Ausflug in die Basilikata nach Matera

Für unseren heutigen Ausflug nach Matera mussten wir gut eindreiviertel Stunden Richtung Osten fahren und dabei für ein paar Kilometer Apulien verlassen und die angrenzende Region Basilikata betreten. Matera wurde bereits 251 v. Ch. von den Römern gegründet und in der Folgezeit wechselten die Herrscher immer wieder, im Jahr 938 verwüsteten Sarazenen die Stadt, 1043 kamen die Normannen an die Macht und die Stadt wurde Königssitz. Die Blüte der Stadt begann jedoch mit der anschließenden Herrschaft der Staufer.

Das alles hätte aber nicht zur Bekanntheit der Stadt über die Grenzen Süditaliens hinaus geführt, wären nicht 1993 die Höhlensiedlungen, sogenannte “Sassi”, und der Park der Felsenkirchen von Matera zum Weltkulturerbe erklärt worden. Sassi (“Steine”) bezieht sich auf die beiden Stadtteile Sasso Caveoso und Sasso Barisano, die die Altstadt von Matera umfassen. Getrennt sind die beiden Viertel durch einen Bergrücken, auf dem die Kathedrale der Stadt errichtet wurde. Unrühmlich fand die Stadt in den 1950er Jahren Erwähnung, als die untragbaren sanitären Zustände in den Höhlenwohnungen publik wurden. Infolgedessen wurde die Bevölkerung in neu gebaute Wohnblocks umgesiedelt, um die sanitären Einrichtungen zu verbessern und die Altstadt zu renovieren – wir konnten uns heute davon überzeugen, dies ist in beeindruckender Form gelungen.

Trotz intensiver Vorbereitung am Vortag entpuppten sich ein paar Dinge vor Ort doch anders als gedacht. Die erste Ernüchterung trat ein, als wir einen Aussichtspunkt auf der gegenüberliegenden Seite des Tals gegenüber von Matera ansteuerten und leider feststellen mussten, dass die letzten 1,5 km bis zum Belvedere zu Fuß zurückzulegen waren. An sich kein Problem, aber bei über 30 Grad im Schatten (wobei schattenspendende Bäume in der kargen Landschaft kaum zu finden sind) und hoher Luftfeuchtigkeit definitiv eine schweißtreibende Angelegenheit. Zum Glück zogen ab und zu ein paar Wolken vor die Sonne. DIe Anstrengung wurde mit einem ersten beeindruckenden Blick auf die Altstadt von Matera belohnt.

Erster Blick auf Matera
Zweiter Blick
Der ehemals ärmste Teil der Stadt – einfach in den Fels geschlagene Wohnhöhlen

Rechts und links des Weges sorgten Schneckenhäuser für bizarre Gebilde. In der Hoffnung, dem tödlich heißen Boden zu entfliehen, waren sie Grashalme und Büsche hinaufgeklettert – vermutlich aber ohne Erfolg.

Vom Aussichtspunkt liefen wir wieder zurück zum Auto, fuhren nach Matera hinein und parkten in der Nähe des Bahnhofs, der mit seinem modernen Erscheinungsbild das komplette Gegenteil zur historischen Altstadt bildet.

Matera Centrale – da kann sich manch deutscher Bahnhof eine Scheibe abschneiden

Apropos Parken: Nahezu in allen Städten, in den wir bisher einen Parkplatz suchten, war Parken mit der easypark-App möglich – eine App, die wir auch schon in Deutschland gerne genutzt haben. Der Riesenvorteil ist, dass man sich beim Parken keine Gedanken mehr darüber machen muss, wie lange man stehen bleiben will, nach Rückkehr zum Auto bricht man einfach den aktuellen Parkvorgang ab und bezahlt nur so lange, wie man tatsächlich gestanden hat.

Nach ein paar hundert Metern Fußweg erreichten wir die Piazza Vittorio Veneto, setzten uns erst einmal in ein Bar und genossen eine kurze Pause mit einer kleinen Erfrischung, um im Anschluss mit der Besichtigung der Stadt zu starten. Direkt unterhalb des Platzes liegt der Palombaro Lungo, ein riesiger in den Fels gehauener Wasserspeicher, der sich heute über Leitern und Metallstege nach Entrichtung von 3 EUR Eintrittsgebühr besichtigen lässt.

Blickfang am zentralen Platz ist Salvador Dalis “Space Elephant”,
der auf das Dali Museum der Stadt aufmerksam macht
Blick auf den Eingang zur Zisterne

Insgesamt erstreckt er sich über eine Länge von 50 Metern und eine Höhe von 16 Metern und wurde ab dem 16. Jahrhundert in Etappen gegraben, um den erweiterten Anforderungen an eine steigende Einwohnerzahl gerecht zu werden. Wasser wurde vom Marktplatz aus mit Eimern nur in den Monaten entnommen, in denen die anderen öffentlichen Brunnen kein Wasser mehr führten. Ab 1927 wurde die Zisterne durch die Einrichtung einer modernen Wasserversorgung für die Stadt überflüssig.

Blick in den fünf Millionen Liter umfassenden Wasserspeicher Palombaro Lungo
Über Metallgitter geht es durch den gigantischen Wasserspeicher
Ein bisschen was vom ursprünglichen Wasser ist noch übrig geblieben

Ein paar Schritte weiter hat man vom Belvedere Luigi Guerrichio eine wundervolle Aussicht auf das Sasso Barisano bis hinauf bis zur Kathedrale auf dem Felsrücken hoch über der Stadt.

Wow – was für ein Ausblick

Von hier aus ging es mit immer wieder tollen Ausblicken auf das steinerne Häusermeer in Etappen den Hügel hinab.

Kathedrale im Hintergrund und Kirchturm von San Pietro Baristano im Vordergrund

Auf halber Höhe stand die Besichtigung der ersten von insgesamt drei Felsenkirchen auf dem Programm – der Chiesa San Pietro Baristano. Eintrittskarten hatten wir im Vorfeld schon über das Internet besorgt und für das Sammelticket 8 EUR bezahlt. Leider war Fotografieren in allen Kirchen nicht erlaubt, daher ein paar Bilder als Kopie der Flyer, die uns in deutscher Sprache die Geschichte und Ausstattung der Kirchen näher brachten.

Die Ursprünge der Kirche gehen auf der 12. und 13. Jahrhundert zurück, im 18. Jahrhundert wurde die Fassade und der Glockenturm hinzugefügt. Die Kirche wurde aufgrund übermäßiger Feuchtigkeit im Jahr 1903 aufgegeben, in den folgenden Jahrzehnten wurden teilweise Kunstgegenstände entwendet oder durch Vandalismus zerstört.

Glockenturm, Portal und Eingang zur ersten Felsenkirche San Pietro Baristano

Eine für uns vollkommen ungewöhnliche Nutzung erfuhren die unterirdischen Räume mit ihren in den Fels geschlagenen Nischen. Leichen von Geistlichen und angehenden Geistlichen wurden aufrecht sitzend in die Nischen gebracht und im Rahmen des “Abtropfens” bis zur vollständigen Verwesung in der Haltung belassen. Zum Glück ist davon heute nichts mehr zu sehen – und zu riechen.

Im Untergrund der Kirche muss zu damaliger Zeit eine mächtige Sauerei zu sehen und zu riechen gewesen sein

Am tiefsten Punkt des Viertels angekommen hieß es im Anschluss über schmale Wege und Treppen hinauf zur Kathedrale von Matera, die den beiden Schutzheiligen der Stadt, Maria della Bruna und Eustachio, geweiht ist. Oben angekommen galt es kurz zu verschnaufen und einen Blick zurück auf das Sasso Barisano zu werfen, bevor wir uns die Besichtigung der Kathedrale vornahmen.

Blick vom Vorplatz der Kathedrale auf das Sasso Barisano

Entgegen der Ankündigung im Internet, für 7 EUR eine Fotoerlaubnis erwerben zu müssen, konnten wir für 1 EUR Eintritt so viele Fotos machen wie wir wollten. Die 1270 fertiggestellte Kirche wurde ab 1627 im Innern umfangreich umgestaltet und dekoriert. Beeindruckend im Innern sind vor allem die reich verzierte Holzdecke auf dem 19. Jahrhundert, die Kapelle der Maria Verkündigung und eine steinerne Krippe in einer der Seitenkapellen.

Blick in den Altarraum der Kathedrale von Matera

Von der Kathedrale führt der Weg unweigerlich wieder ins Tal hinab, dieses Mal in das zweite mittelalterliche Viertel der Stadt – Sasso Caveoso. Hier befinden sich drei weitere Felsenkirchen, wobei die Kirchen Santa Maria de Idris und San Giovanni in Monterrone mittels eines Ganges miteinander verbunden sind.

Blick auf den Felsen in der Mitte, in dem sich die beiden Kirchen
Santa Maria de Idris und San Giovanni in Monterrone befinden
Flyer mit den schönsten erhaltenden Fresken der Kirchen Santa Maria de Idris und San Giovanni in Monterrone
Blick von der Santa Maria de Idris in Richtung Kathedrale

Ein kleines Stück weiter fanden wir auch den Eingang zur letzten der Felsenkirchen, der Santa Lucia alle Malve.

Die Stadt hat auch dadurch an Leben gewonnen, dass neben Bed & Breakfasts auch Bars und Restaurants eröffnet haben. Die Altstadt von Matera ist fast zu einem reinen Museum geworden, besser jedoch als der Verfall, dem die Stadt in den Jahrzehnten vorher ausgesetzt war.

Was für ein schöner Platz für ein Getränk in einer Bar

Nachdem wir uns wieder zu unserem Ausgangspunkt der Besichtigung, der Piazza Vittorio Veneto, hinauf gekämpft und unseren eigentlichen Plan, noch im Hellen zurückzufahren und in Carovigno essen zu gehen, aufgegeben hatten, stellten wir fest, dass uns heute auch nur ein Stück Pizza auf die Hand reichte – was wir genüsslich auf einer kleinen Mauer gegenüber des Ladens verzehrten und im Anschluss gestärkt den längeren Rückweg nach Carovigno antraten.

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