Karlsbad 07.04. – Mit der Schnabeltasse durch die Stadt

Das Ziel des heutigen Tages lag nur ein paar Minuten mit dem Auto von unserem Hotel entfernt: Ein Spaziergang durch die Altstadt und das Kurviertel von Karlsbad stand auf dem Programm. Vom Parkhaus waren es knapp 10 Minuten zu Fuß entlang prächtiger Gebäude zum Ufer der Teplá, einem kleinen Flüsschen, das in Karlsbad in die Eger mündet.

Grandhotel Ambassador, wie einige weitere Gebäude in der Stadt von den Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer entworfen

Zunächst etwas zur Geschichte der Stadt: Im Stadtgebiet von Karlsbad liegen heute insgesamt 12 Quellen, deren Wasser für die Behandlung von Verdauungsstörungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Gicht und vielen weiteren körperlichen Gebrechen genutzt wird. Anfang des 18. Jahrhunderts erhielt der Kurbetrieb durch den Besuch des russischen Zaren Peter des Großen eine willkommene Werbung. Etwas später untersuchte der Badearzt David Becher die heilsame Wirkung des Thermalwassers und dokumentierte seine Erkenntnisse in der 1766 erschienenen Schrift “Neue Abhandlung über das Carlsbad – Erster Theil“. Er war es auch, der den Kurgästen empfahl, das Wasser direkt an der Quelle zu trinken und nicht, wie bis zu diesem Zeitpunkt üblich, aus Kanistern, die sich die Kurgäste nach Hause liefern ließen.

Das hatte einen Wandel des Kurwesens zur Folge. Zum Schutz der Gäste vor Wind und Wetter mussten Trinkhallen errichtet werden, die einen großen Einfluss auf das Stadtbild hatten und noch heute von der glorreichen Vergangenheit des Kurwesens zeugen. Neben seiner umfangreichen ärztlichen Tätigkeit bildete die Sprudelsalzgewinnung für Becher die Grundlage seines großen Vermögens. Zu den größten Verdiensten um seine Vaterstadt gehört zweifellos der erste Theaterbau in Karlsbad, errichtet 1787/88. Er wurde von ihm allein mit privaten Mitteln finanziert, der Stadt entstanden keinerlei Kosten.

Ob die Tauben auch das gute Wasser von Karlsbad zu schätzen wissen?

Ein weiterer Spross der Becher-Familie, Josef Vitus Becher, Kaufmann und Apotheker, wurde durch die Herstellung und Vermarktung seines Bitterlikörs weltberühmt. Der Likör, erstmals nach einer geheim gehaltenen Rezeptur von Josef Vitus Becher hergestellt, wurde seit 1807 „Englischbitter“, später „Karlsbader Becherbitter“ genannt, bis er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den bis heute bekannten Namen Becherovka erhielt.

Nachdem wir das Kurviertel erreicht hatten, bestand unsere erste Herausforderung darin, ein typisches Trinkgefäß zu erwerben, um von den Heilquellen kosten zu können. Aus der Vielzahl der Becher wählten wir zwei weniger bunte aus und schon war als erstes die Schlangenquelle, die sich mit der Parkquelle das Dach der Parkkolonnade teilt, an der Reihe.

Welche Tasse darf es sein?
Seltener Anblick an der Schlangenquelle: Keiner möchte Wasser abfüllen

Flussaufwärts am linken Ufer der Tepla entlang kamen wir an der Freiheitsquelle vorbei und kurz darauf erreichten wir die Mühlbrunnenkolonnade. Die Halle wurde zwischen 1871 und 1881 nach den Entwürfen des tschechischen Architekten Josef Zítek erbaut. Gleich fünf Quellen sprudeln hier unter dem von 124 korinthischen Säulen getragenen Dach vor sich hin.

Eine Quelle neben der anderen – jeder kann entscheiden, was ihm besser schmeckt

Die nächsten Quellen fanden sich in der Marktbrunnenkolonnade, einer zwischen 1882 und 1883 von den Architekten Fellner und Helmer im schweizerischen Stil aus Holz errichteten Trinkhalle.

Im Vergleich zur wuchtigen Mühlbrunnenkolonnade zeigt sich die Marktkolonnade im Schweizer Stil deutlich filigraner

Auch die Häuser neben den Trinkhallen lohnen einen intensiveren Blick. Ein besonderes Juwel ist das im Jahr 1900 für den Schneidermeister Felix Zawojski erbaute Jugendstil-Haus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte es einen so guten Ruf, dass sogar der britische König Eduard VII. zu den Kunden gehörte.

Blick von der Mühlenkolonnade hinüber zur Jugendstilfassade des Zawojski-Hauses

Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich in einem Gebäude aus Glas- und Stahlbetonbau aus dem Jahr 1975 die ertragreichste Quelle Karlsbads, der sogenannte “Sprudel“. Durchschnittlich 2000 Liter Mineralwasser pro Minute schießen hier bis zu 12 Meter in die Höhe. Das Wasser aus dieser Quelle ist aktuell das einzige, das in Bäder geleitet und nicht zur Trinkkur genutzt wird.

Nicht gerade ein architektonisches Juwel, die im Jahr 1975 gebaute Sprudelhalle – der Blick von oberhalb ist noch schmeichelhaft
Never ending Sprudel

Blick auf das von österlichen Besuchern reich gesäumte Ufer der Tepla

An der nächsten Biegung der Tepla steht auf der gegenüberliegenden Seite das Grandhotel Pupp. Die ersten Gebäude an dieser Stelle wurden bereits im Jahr 1701 errichtet. Die Familie Pupp erwarb 1778 den Böhmischen und Sächsischen Saal und formte daraus im Laufe der Zeit ein Hotel. Nach Hochwasserschäden, Renovierung und einigen Besitzerwechseln erwarb die Familie im Jahr 1890 den Gebäudekomplex zurück, riss die beiden in die Jahre gekommenen Säle ab und legte damit den Grundstein für das heutige Grandhotel. Auf dem Rückweg mussten wir natürlich einen Stopp einlegen, um die Qualität und den Service des Cafés auf Herz und Nieren zu prüfen.

Wenn sich der Name “Grandhotel” von der Größe des Hotels ableitet, ist das Pupp wahrlich ein Grandhotel

Doch zunächst spazierten wir noch ein Stück weiter bis zum Kaiserbad. Zwischen 1893 – 1895 entstand ein mondänes Kurhaus nach den Entwürfen des berühmten Wiener Architekten-Duos Ferdinand Fellner und Hermann Helmer. Das Gebäude war unter anderem Kulisse für den James Bond-Film Casino Royale. Nachdem es 1994 geschlossen wurde und immer mehr verfiel, entschloss man sich zu einer Renovierung, die aktuell noch nicht abgeschlossen ist.

Blick auf das Kaiserbad, das hoffentlich bald wieder in altem Glanz erstrahlt

Nun aber ein paar Eindrücke aus dem Café Pupp, das wir für eine kurze Pause nutzten.

Im Anschluss gingen wir um die Ecke zur Talstation der Standseilbahn, die die Besucher hinauf zum Dianaturm befördert. Wir waren nicht die Einzigen mit diesem Ziel, und so hieß es erst einmal Schlange stehen, um anschließend in 3 Minuten bis zur Bergstation zu fahren und dort 150 Stufen hinauf auf die Aussichtsplattform des Dianaturms zu steigen. Neben dem Ausblick genossen die Besucher die wärmende Sonne im Biergarten am Fuße des Turms.

Links der westliche Teil Karlsbads, den wir noch vor uns hatten, auf der rechten Seite das Kurviertel

150 Stufen hoch laufen oder einen Knopf am Fahrstuhl drücken – schon hat man einen schönen Ausblick auf Karlsbad und Umgebung

Nach der Fahrt hinab in die Stadt setzten wir unseren Weg entlang des Flussufers bis zum Café Elefant fort, wo wir der Versuchung der kleinen süßen Leckereien nicht widerstehen konnten, genau wie seinerzeit Kaiserin Sisi, die sich zur Kur in der Stadt aufhielt. Das Haus ist nur sehr schwer zu verfehlen, ein kleiner goldener Elefant schmückt die Fassade.

Wieder an der Marktkolonnade angekommen, bogen wir links den Hügel hinauf zum Villenviertel im sogenannten Westend ab.

Die Dreifaltigkeitssäule auf der linken Seite wurde 1716 errichtet, nachdem Karlsbad zuvor von einer grassierenden Pestepidemie verschont wurde

Auf dem Hügel reihen sich prunkvolle Hotels und Villen aneinander. Dazwischen haben internationale Besucher ihre Spuren hinterlassen. Die anglikanische St. Lukas Kirche wurde durch Spenden englischer Gäste finanziert, die russische-orthodoxe Kirche St. Peter und Paul mit ihren weithin sichtbaren vergoldeten Zwiebeltürmen geht auf das finanzielle Engagement serbischer und russischer Kurgäste zurück. Letztere wurde in den Jahren 1893 – 1898 nach den Plänen des Franzensbader Architekten Gustav Wiedermann erbaut. Das Vorbild für diese Kirche war ein byzantinisch-altrussischer Kirchenbau in Ostankino unweit von Moskau.

Hotel Savoy Westend – nicht unsere Preisklasse

Am Ende des Rundgangs durch das Villenviertel erreichten wir die Villa Becher, ein prunkvolles Palais aus dem Jahr 1914, das für den Clan der Familie Becher gebaut wurde. Nach mehreren Besitzer- und Nutzungswechseln (unter anderem war die Villa bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Sitz der SS-Kreiskommandatur) befindet sich heute hier eine interaktive Galerie und Platz für kreative Workshops.

Vor dem Abendessen legten wir noch zwei kurze Stopps ein: In der Nähe des Elisabethbades erregten folkloristische Klänge unsere Aufmerksamkeit, junge Männer und Frauen tanzten traditionelle Tänze, Musik begleitete sie und sie sangen dazu. Auch wenn wir nicht verstanden worum es ging, hatte es sicherlich etwas mit dem Werben der Männer um die Herzen der Frauen zu tun.

Den zweiten Halt machten wir beim Becherovka-Museum, um zwei kleine Fläschen des Exportschlagers aus Karlsbad zu erwerben. Ein Faltblatt lieferte uns Rezeptideen für Cocktails, die wir zu Hause ausprobieren werden.

Vom kleinen bis zum ganz großen Durst ist für jeden was dabei

Nun noch wenige Schritte, und wir gelangten zum Restaurant 480 Grad Pizzeria Napoletana. Bestätigungsmails scheint man nach einer erfolgreichen Tischreservierung nicht zu verschicken, trotzdem war ein Tisch auf unseren Namen reserviert. Wir hätten sicher aber auch ohne Reservierung einen Tisch bekommen, waren wir doch die ersten Gäste im Lokal. Nachdem wir die Hürde der Bestellung gemeistert hatten (die Menükarte war nur in tschechischer Sprache verfügbar, aber zum Glück lieferte uns der google.translator die notwendige Übersetzung) genossen wir die Pizza und machten uns im Anschluss auf den Weg nach Hause.

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