Das bekannteste Produkt der Stadt Delft – Keramiken im Stil Delfter Blau – hatten wir bereits bei dem Besuch des Kunstmuseums Den Haag kennengelernt: Heute wollten wir uns anschauen, was die Stadt außerdem zu bieten hat – und auch einen Blick auf die Keramik-Produktionsstätte werfen.
Besucher der Stadt können an einer der wunderschönen Grachten entlang spazieren, die Nieuwe Kerk mit den Gräbern der Königsfamilie besuchen, im Vermeer Centrum mehr über den berühmten Maler erfahren, der hier geboren wurde, gelebt hat und auch gestorben ist. Man kann sich aber auch einfach auf den Marktplatz in die Nähe des prächtigen Stadhuis setzen und ein wenig dem Treiben zuschauen.



Ein bißchen von allem stand auf unserem Programm – doch zunächst die wie immer unkomplizierte Bahnfahrt von Den Haag nach Delft Centraal, von wo es lediglich knapp 10 Minuten bis zum wunderschönen Marktplatz der Stadt waren. Dieser wird beherrscht vom ehemaligen Rathaus aus dem 17. Jahrhundert auf der einen und der Nieuwe Kerk vom Ende des 14. Jahrhunderts – wobei “neu” eher im Vergleich zur nicht allzu weit entfernten Oude Kerk aus der Mitte des 13. Jahrhunderts bedeutet.
Wir kauften uns zwei Tickets für den Eintritt (in Holland nichts ungewöhnliches) in die Nieuwe Kerk, Jochen erwarb zudem ein Ticket für den Aufstieg auf den Kirchturm – dazu später mehr.

Im Rücken des Fotografen steht die Nieuwe Kerk

Im Innern der Kirche geht der Blick unweigerlich zum monumentalen Grabmal von Wilhelm von Oranien, der 1533 in Dillenburg im heutigen Hessen geboren wurde und durch die Befreiung der Niederlande von den spanischen Besatzern als Vater des Vaterlandes gilt.
Zu Füßen der Marmorskulptur von Wilhelm liegt ein Kooikerhondje, ein Exemplar einer Anfang des 20. Jahrhunderts fast ausgestorbenen Hunderasse. Der Hund soll Wilhelm vor einem Mordanschlag gerettet haben und starb kurz nach Wilhelms Tod angeblich aus Kummer.
Der ursprüngliche Grabplatz der Oranier befand sich in Breda, das zum Zeitpunkt des Todes jedoch noch in spanischer Hand war, und so entschied man sich für Delft als letzte Ruhestätte. Bis heute wird die Kirche als Begräbnisort der Oranier genutzt – in den letzten Jahrhunderten wurden hier 45 Mitglieder des Hauses Oranien-Nassau zu Grabe getragen.
Die Kirche diente seit Ende des 14. Jahrhunderts zudem als Begräbnisstätte reicher Bürger, die es sich leisten konnten, in der Kirche beerdigt zu werden, um sich einen Vorteil bei der Aufnahme ins Himmelreich zu verschaffen. Unzählige Grabplatten zeugen von den Begräbnissen, die erst mit der Herrschaft von Napoleon endeten. Ab diesem Zeitpunkt mussten Verstorbene außerhalb der jeweiligen Stadtgrenzen ihre letzte Ruhe finden.

Im Anschluss war es für Jochen Zeit, den Kirchturm zu erklimmen, der mit seinen 108,75m für kurze Zeit der höchste Turm der Niederlande war, bevor man in Utrecht einen Meter höher baute. Die 376 Stufen der Wendeltreppe hinaufzusteigen war im Vergleich zu dem kleinen Schritt hinaus auf die Aussichtsplattform in 85 Metern Höhe um ein Vielfaches einfacher. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, mit Höhenangst auf einen fast senkrechten Turm zu steigen und auf die sehr schmale obere Aussichtsterrasse mit niedriger Balustrade herauszutreten. Nach einer etwas längeren Gewöhnungszeit wagte Jochen dann doch den Schritt – die Verlockung, ein paar schöne Fotos schießen zu können, war zu groß.

Nach dieser Anstrengung hatten wir uns erstmal eine kleine Zwischenmahlzeit in Form äußerst leckerer Pommes auf dem Marktplatz verdient, um festzustellen, dass der Turm von unten gar nicht so anspruchsvoll aussieht – was aber auch keine wirklich neue Erkenntnis ist.
Anschließend bummelten wir durch die Altstadt von Delft mit ihren wunderschönen Grachten.
Die bereits oben erwähnte Oude Kerk fällt bei genauem Hinsehen durch ihren schiefen Kirchturm auf. Bereits während der Bauphase hatte sich der Turm geneigt, was man beim weiteren Ausbau zu korrigieren versuchte, so dass der Turm heute nicht nur schief steht, sondern auch einen Knick aufweist.
Auf einigen der Grachten laden Cafés auf schwimmenden Plattformen zu einer kurzen Rast ein. Wer kann da schon widerstehen, zumal wenn ein leckerer Pfannkuchen lockt: Das Stads Koffyhuis bekommt von uns eine klare Empfehlung.


Vom Zentrum der Stadt waren es gut 20 Minuten zu Fuß in die Außenbereiche, wo sich heute die letzte der ehemals 31 (Stand 1675) Keramik-Produktionsstätten befindet.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts importierte Holland über die Ostindien-Kompanie in großen Mengen chinesisches Porzellan. In Delft gelang es zwar nicht, Porzellan herzustellen, zu dessen Erzeugung Kaolin unerlässlich ist, jedoch fand man Ersatz in hochwertiger zinnlasierter Keramik, die dem Erscheinungsbild von Porzellan sehr nahekam. Ab Mitte des 18. Jahrhundert produzierte England billigeres und härtetes Steingut, so dass ein Sterben der Keramik-Manufakturen einsetzte.
Heute ist nur noch De Porceleyne Fles in Betrieb, die seit 1919 den Zusatz “königlich” trägt.
Ein kurzer Film zeigte uns zu Beginn der Besichtigung einen kleinen geschichtlichen Überblick zu Royal Delft, um uns danach zum Museum zu entlassen, wo unter anderem das 2017 gefertigte neunteilige Service ausgestellt war, das mit einem Eisvogel, dem Symbol der königlichen Familie, und einem ineinander verschlungenen “W” und “M” für Willem und Maxima verziert ist. Die Auflage von 350 Stück zeugt davon, dass dieses Service nichts für unseren Geldbeutel ist.
Auch eines der berühmtesten Bilder Rembrandts wurde auf Kacheln in Delfter Blau verewigt:


Am Ende des Rundgangs bekamen wir Einblick in den Produktionsprozess, wo Vasen, Teller und vieles mehr gegossen, gebrannt und anschließend mit schwarzem Pinselstrich verziert werden, der bei einem erneuten Brennvorgang zum wunderschönen Kobaltblau wird.
Wer anschließend Lust auf neue Keramik für das Eigenheim hat, wird im Shop sicherlich fündig.



Aus dem Osten kommend fuhren wir im Anschluss fast bis zur Endhaltestelle im Westen Den Haags nach Scheveningen, dem größten Seebad der Niederlande. Seit dem Jahr 1881, in dem das Bild des Panoramas von Scheveningen von Hendrik-Willem Mesdag gemalt wurde, hat sich der Ort deutlich verändert.


Rund um das historische Kurhaus aus dem Jahr 1885 haben sich Hotels angesiedelt, am breiten Sandstrand wurde eine Pier errichtet, auf dem man Bungee-Springen oder eine Runde mit einem Riesenrad drehen kann. Das Wetter lud nicht gerade zu einem Bad im Meer ein, aber eine Runde im Riesenrad mit schönem Ausblick wollten wir uns nicht entgehen lassen. Anschließend suchten wir eines der vielen Strandrestaurants auf und ließen uns geschützt von Wind und Wetter das Abendessen schmecken.
Wir wollten es auch nicht versäumen, einen Blick ins Kurhaus zu werfen, wo man heute in einem Fünf Sterne Hotel übernachten und den Flair vergangener Zeiten inhalieren kann.



















