Berlin 19.04. – Kunst von ganz alt bis neu

Für einen kühlen regnerischen Tag hat Berlin unfassbar viele Möglichkeiten zu bieten, so dass es gar nicht so einfach war, sich für eine Aktivität zu entscheiden.

Für den Start in den Tag war dies heute das Pergamonmuseum, wobei das nicht ganz korrekt ist. Das eigentliche Museum ist seit Oktober 2023 aufgrund Renovierungsarbeiten vollständig geschlossen und es wird noch Jahre bis zu einer vollständigen Wiedereröffnung dauern. In weiser Voraussicht wurde bereits 2018 ein temporäres Ausstellungsgebäude eröffnet, das den Besuchern einen Teil der Kunstwerke weiterhin zugänglich macht. Hier wird neben Exponaten aus der Antikensammlung ein riesiges Panorama des Künstlers und Architekten Yadegar Asisi präsentiert, das einen Tag in Pergamon des Jahres 129 n. Chr. darstellt – der Tag, an dem der römische Kaiser Hadrian der Stadt einen Besuch abstattete.

Auf dem Weg zum Pergamonmuseum: 3 Mädchen und 1 Knabe – Bronzeskulpturen von Wilfried Fitzenreiter (1988) sitzen am Ufer der Spree
Blick auf das Museum – wichtig für später: Hinter den Glasscheiben, in denen sich das gegenüberliegende Bode-Museum spiegelt, befindet ein sehr schönes Café

Bevor wir mit unseren Rundgang starteten, benötigten wir (wie der geneigte Blog-Leser vielleicht auch) allerdings ein kleines bisschen Nachhilfe in Geschichte und Geografie: Das historische Pergamon war eine antike griechische Stadt in der heutigen Türkei, etwa 80 km nördlich der Millionenmetropole Izmir. Die Blüte der Stadt begann mit dem Regierungsantritt Attalos I. (241 v. Chr.). Nachdem der letzte König Attalos III. von Pergamon 133 v. Chr. ohne Nachkommen starb, vererbte er sein Königreich an die Römer, die Stadt Pergamon sollte jedoch frei bleiben. In der kurzen Zeit der herrschenden Attaliden entstand der berühmte Pergamonaltar – eine Kultstätte mit Opferaltar. Dieser für die Antike einzigartige Altarbau umfasste eine Fläche von 1.200 qm und war am Sockel mit einem umlaufenden Fries (nach den dargestellten Figuren “Gigantenfries” genannt) geschmückt, einem Meisterwerk der antiken Bildhauerkunst. In der dargestellten Schlacht stehen die Götter als Garanten einer gerechten Ordnung den Giganten als Sinnbild chaotisch wirkender Naturkräfte gegenüber.

Die im Museum ausgestellten Exponate umfassen in Pergamon gefundene Skulpturen griechischer Götter und den sogenannten Telephosfries, der die Wände des Innenhofes auf der Altarplattform schmückte. Auf insgesamt 84 Marmorplatten (von denen 47 ganz oder teilweise erhalten sind) wird die Geschichte des mythischen Helden Telephos erzählt, der als Gründer der Stadt Pergamon gilt.

Teilweise kopflos sind die Statuen aus dem alten Pergamon
Blick auf die Überreste des Telephosfrieses
Eine der Tafeln aus dem Telephosfries mit Szenen aus dem Leben des Stadtgründers
Für sein Alter von über 2000 Jahren hat sich das Pferd ganz gut gehalten

Das Panorama, das eine Fläche von 104×30 Metern einnimmt, kann auf unterschiedlichen Etagen eines eigens in der Mitte des Rundgemäldes aufgebauten Turms erkundet werden. Während am Pergamon-Altar die Opferung von Tieren zu Ehren der Götter in vollem Gang ist, warten die Besucher des griechischen Theaters unterhalb des Tempels der Stadtgöttin Athena auf eine Aufführung. Wie in einem großen Wimmelbild lassen sich viele kleine Szenen und Geschichten in dem Bild entdecken.

Das Panorama in Kleinformat als Vorlage für das große Format
Für das Panorama musste Yadegar Asisi unter anderem die fehlenden Teile des Gigantenfrieses ergänzen, wie zum Beispiel hier die Darstellung von Zeus, der gerade dabei ist, seinen Dreizack den Giganten entgegenzuwerfen

Nach einer kleinen Pause im Café des Museums, mit herrlichem Blick auf das auf der Museumsinsel liegende Bode-Museum, machten wir uns auf den Weg zu moderneren Kunstwerken, die in der Neuen Nationalgalerie ausgestellt sind.

Bei der Neuen Nationalgalerie beginnt die Kunst bereits mit dem Ausstellungsgebäude. Das Gebäude, eine quadratische Stahl-/Glaskonstruktion, wurde von Ludwig Mies von der Rohe geplant und zwischen 1965 und 1968 erbaut. Im oberen Teil des Gebäudes fanden gerade Aufräumarbeiten der letzten Sonderausstellung statt, so dass dort eher ein großes Durcheinander herrschte.
Die aktuell laufenden Ausstellungen fanden im Untergeschoss statt. Hätten wir uns im Vorfeld besser informiert, hätten wir gelesen, dass sich die Meisterwerke der Klassischen Moderne, die eigentlich unser Ziel waren, aktuell auf großer USA-Tournee befinden. Anstelle dessen wurden drei Sonderausstellungen präsentiert, von denen wir uns zwei anschauten. Zerreißprobe – Kunst zwischen Politik und Gesellschaft – Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000 zeigt die Weiterentwicklung der Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg in West- und Ostdeutschland sowie in anderen Regionen der Welt. Hier ein Blick auf ein paar der ausgestellten Kunstwerke:

Mark Rothko – 1961 Rot Nr. 5 (1961)
Arman – Ein Löffel für Papa, Ein Löffel für Mama (1962)
Willi Sitte – Leuna (1969); den Maler hatten wir bereits bei unserem Ausflug nach Chemnitz kennengelernt
Andy Warhol – Doppelter Elvis (1963)
Franz Gertsch – Barbara und Gaby 3/74 (1974)
Gertsch ist bekannt für seine grossformatigen fotorealistischen Gemälde
Günther Uecker – Wald (1984)
eine interessante Interpretation eines Waldes von Herrn Uecker
Victor Vasarely – IX (1966)
der Künstler entwarf unter anderem das neue Rauten-Logo für Renault

In der zweiten Sonderausstellung Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin” wurden Werke des Künstlers aus einer langfristigen Leihgabe präsentiert, die unterschiedliche Schaffensphasen seit den 1980er Jahren zeigt.

Zentrales Werk der Ausstellung ist der Birkenau-Zyklus aus dem Jahr 2014. Grundlage sind vier von Häftlingen des KZ Auschwitz-Birkenau 1944 unter Einsatz ihres Lebens aufgenommenen Fotografien. Diese übertrug der Künstler auf große Leinwände, um sie im Anschluss nach und nach abstrakt zu übermalen bis von den ursprünglichen Fotografien nichts mehr zu sehen war. Das Kunstwerk bringt nach Aussage von Richter zum Ausdruck, dass man das Unvorstellbare, den Holocaust, nicht angemessen darstellen kann.

Gerhard Richter – Birkenau-Zyklus (2014)
das Grauen verbirgt sich unter den Farbschichten
Gerhard Richter – 4900 Farben (2007)
Gerhard Richter – Schwarz, Rot, Gold (1999)
man beachte die Ausrichtung der Farben im Vergleich zur Deutschlandfahne
Gerhard Richter – Atelier (1985)

Da wir bis zum Abendessen noch etwas Zeit hatten, spazierten wir hinüber zum Kupferstichkabinett, das sich der „Kunst auf Papier“, also Zeichnungen, Pastellen, Aquarellen und Ölskizzen, widmet. Dort wurden in der Sonderausstellung Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk 90 Werke der von Franz Marc und Wassily Kandinsky 1911 in München gegründeten Künstlergruppe sowie weiterer Künstler aus dem Umfeld des Blauen Reiters gezeigt

Im Kupferstichkabinett würden wir normalerweise keine Kunst nach 1900 erwarten

Nach so viel Kultur und Geschichte war es an der Zeit für unser Abendessen: Anschließend an einen Bummel durch die Hackeschen Höfe wartete ein Tisch für zwei Personen im thailändischen Restaurant Sisaket auf uns.

Die Aktivitäten des Tages waren damit noch nicht gänzlich beendet: Im 18. Stock unseres Hotels befindet sich eine Rooftop Bar – ein schöner Platz, um den Abend bei einem Cocktail ausklingen zu lassen.

Blick aus der Rooftop Bar des Motel One am Alexanderplatz auf das nächtliche Berlin

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