Fast hätte unser detailliert ausgearbeiteter Plan funktioniert, die Tour heute komplett mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen – aber eben nur fast. Doch dazu später mehr.
Nach einem spartanischen, aber ausreichenden Frühstück auf unserem Zimmer stellten wir uns an die Bushaltestelle in der Nähe unserer Unterkunft und warteten auf den Bus nach Portovenere, das am äußersten Zipfel des Golfs von La Spezia liegt. Die acht bis zehn Minuten Verspätung nutzten wir sinnvoll zur Installation der lokalen Bus-App und dem Kauf von zwei 60-Minuten-Tickets für je 1,50 EUR. Als der Bus schließlich einfuhr, mussten wir uns hineinpressen – unser Reiseziel ist bei Touristen äußerst beliebt.
Am Ziel angekommen bestärkte uns ein Schild, das ein komplett belegtes Parkhaus verkündete, in unserer Entscheidung, den Mietwagen stehen gelassen zu haben. Der Ort bietet alles, was das Touristenherz begehrt: einen malerischen Hafen, in dem sich bunte Fischerboote sanft im türkisblauen Wasser wiegen, pastellfarbene Häuser, die sich an den Hang schmiegen, und verwinkelte Altstadtgassen voller Souvenirläden und Restaurants, die lokale Spezialitäten wie Focaccia und Pesto Genovese anbieten.

Wir spazierten durch das alte Stadttor, dessen Inschrift an die Eroberung Portoveneres durch die Genuesen im Jahr 1113 erinnert. Der späteren Eroberung durch Touristenmassen ist dagegen keine separate Inschrift gewidmet. Am Ende der schmalen Altstadtgasse, die vorbei an allerlei kulinarischen Verlockungen führte, erreichten wir die schroffe, felsige Küste mit einem traumhaften Blick auf die Kirche San Pietro, die auf ihrer Felsenklippe seit Jahrhunderten Wind und Wetter trotzt.
Im Stil der Genueser Gotik erstrahlt die Kirche innen wie außen in elegantem schwarzem und weißem Marmor. Von einer kleinen Loggia aus genießen Besucher einen spektakulären Blick entlang der zerklüfteten Küste der Cinque Terre.
Ein Stückchen weiter erreicht man über in den Fels geschlagene Stufen einen Aussichtspunkt auf die Grotta di Arpaia, den Lieblingsplatz des englischen Romantikers Lord Byron.
Nicht unten am Meer sondern hoch über der Stadt thront das Castello Doria, das einst die Stadt als Vorposten von Genua gegen das feindliche Pisa schützte. Nachdem Jochen für Fotos hinauf zur Festung und der etwas unterhalb gelegenen Kirche San Lorenzo gestiegen war, spazierten wir zusammen zum Hafen, wo wir in der Bar Doria ein erfrischendes Getränk und einen Espresso zu uns nahmen, bevor die nächste Etappe unserer Tour startete.
Bereits bei unserer Ankunft in Portovenere hatten wir uns ein Ticket für eine eineinhalbstündige Bootsfahrt entlang der legendären Küste der Cinque Terre bis Monterosso al Mare gesichert. Wir stellten uns frühzeitig am Bootsanleger an und ergatterten Plätze auf der rechten Seite in Fahrtrichtung – links hätten wir lediglich den endlosen blauen Horizont bewundern können.

Der böige Wind, der die Wolken nur träge vom Himmel scheuchte, sorgte für ordentlichen Wellengang. Das Boot schaukelte durch die Wellen, doch die Sorge, seekrank zu werden und die Fahrt auf der Toilette zu verbringen, erwies sich zum Glück als unbegründet. Nach etwa 30 Minuten kam das erste der fünf berühmten Dörfer der Cinque Terre ins Blickfeld: Riomaggiore.
Die Dörfer gehören zweifellos zu den Highlights eines jeden Urlaubs an der ligurischen Küste – und werden jeden Sommer aufs Neue von Touristenmassen überrannt. Die bunten Häuser scheinen wie durch Zauberhand am senkrechten Felsen zu kleben und trotzten der Schwerkraft. Über Jahrhunderte hinweg waren die Dörfer ausschließlich mit dem Boot oder über beschwerliche Saumpfade entlang der zerklüfteten Küste zu erreichen. Das änderte sich erst mit dem Bau der Eisenbahnlinie Genua-Rom, die ab 1874 alle fünf Dörfer an das Streckennetz anband. Der größte Teil der Strecke von Monterosso al Mare nach La Spezia führt durch dunkle Tunnel – nur gelegentlich erhaschen Bahnreisende einen flüchtigen Blick aufs glitzernde Meer.
Vom ersten Dorf Riomaggiore, dessen Wohnhäuser sich wie in den meisten anderen Dörfern entlang eines kleinen Flussbettes drängen, war es nur ein Katzensprung bis nach Manarola. Das Dorf versteckte sich, von Süden kommend, schüchtern hinter einem markanten Felsvorsprung. Auf der gegenüberliegenden Talseite entdeckten wir mit perfektem Blick auf die bunt gestapelten Häuschen die große Aussichtsterrasse des Lokals Nessun Dorma, zu der unzählige Touristen wie Ameisen zu Fuß unterwegs waren. Alex las später zu Hause, dass man sich per App in einer virtuellen Warteschlange für einen Platz auf der Terrasse anstellen muss – nur so scheint man dem Besucherandrang Herr zu werden.

Das dritte Dorf Corniglia ist das einzige, das nicht direkt am Meer, sondern auf einem luftigen Bergrücken thront und daher nicht mit dem Boot angefahren wurde. Am Hafen von nächsten Halt Vernazza hatten ein- und aussteigende Fahrgäste mit dem hohen Wellengang zu kämpfen und wurden auf dem schwankenden Steg zwischen Boot und Pier ordentlich durchgeschüttelt.


Von Vernazza erreichten wir in wenigen Minuten unser Tagesziel Monterosso al Mare. Das größte der Cinque-Terre-Dörfer erstreckt sich gemächlich entlang einer weiten Talsenke. Altstadt und der neuere Ortsteil Fegina sind durch eine markante Felsnase voneinander getrennt, die man entweder durch einen praktischen Tunnel durchqueren oder auf einem Fußweg umrunden kann.
Bei unserer Ankunft war es erst kurz nach halb fünf – für’s Abendessen noch etwas früh, daher spazierten wir gemütlich durch den Tunnel hinüber nach Fegina mit seinem langen Sandstrand, einer Rarität in den ansonsten felsigen Cinque Terre. Ganz am Ende des Ortes steht die ordentlich ramponierte Betonfigur des “Il Gigante”. Dem dargestellten Neptun fehlt mittlerweile sein charakteristischer Dreizack, einen Arm hat er auch schon verloren, und die Muschelschale, die er einst stolz auf seinen Schultern trug, wurde durch eine schlichte Plattform ersetzt – ein melancholisches Denkmal vergangener Zeiten.


Zurück in der Altstadt begaben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Im Il Pozzo wurden wir fündig und ließen uns köstliche lokale Pasta mit einem Glas lokalen Weins schmecken – der perfekte Abschluss eines ereignisreichen Tages.



Nach dem Essen liefen wir durch den Tunnel nach Fegina zum Bahnhof. Mit fünf Minuten Verspätung rollte der Zug ein und nahm uns größtenteils durch lange, dunkle Tunnel zurück nach La Spezia, wo wir mit dem Bus zu unserer Unterkunft nach Cadimare fahren wollten.
An der Bushaltestelle in La Spezia angekommen warteten bereits viele potenzielle Fahrgäste – wir gesellten uns dazu, gaben aber nach über 30 Minuten Wartezeit die Hoffnung auf, heute noch mit dem Bus nach Cadimare zu gelangen. Wir kehrten zum Bahnhof zurück und reihten uns in die Schlange der Wartenden für ein Taxi ein. Als wir endlich an der Reihe waren, brachte uns der Fahrer für 25 EUR zu unserer Unterkunft – mit dem Bus wären es 3 EUR gewesen, der Ärger über den ausgefallenen Bus war jedoch schnell verflogen, wir ließen uns den ansonsten wunderbaren Tag davon nicht vermiesen.

















