Man muss nicht zwingend zweieinhalb Stunden mit dem Auto fahren, um in einer anderen Welt anzukommen, aber an diesem Wochenende war es mal wieder soweit: Wir fuhren an die Elsässer Weinstraße nach Colmar.
Vor knapp elf Jahren hatten wir die Stadt schon einmal bei einem Ausflug von Straßburg aus erkundet, kurz vor Silvester bei -10 Grad Celsius war dies aber weniger ein gemütlicher Stadtspaziergang als ein Café-Hopping, um unsere durchgefrorenen Gliedmaßen in regelmäßigen Abständen wieder aufzutauen. Diese Temperaturen herrschten heute zwar nicht, doch waren für den späten Nachmittag Regenschauer angekündigt, denen wir allerdings durch einen Besuch des Museums Unterlinden ausweichen wollten.
Bei der Anreise waren wir dieses Mal deutlich aufmerksamer und fuhren die Schnellstraße von Straßburg nach Colmar in der angegebenen Geschwindigkeit, wollten wir doch unser Glück nicht nochmal ausreizen und riskieren, geblitzt zu werden – wir warten bis heute auf die Zustellung des Gebührenbescheids.
Am Stadtrand von Colmar staunten wir nicht schlecht, mitten in einem Kreisel eine bekannte Figur zu entdecken, die wir eher in New York vermutet hätten. Aber ein Blick in den Reiseführer belehrte uns, dass der Erfinder der Freiheitsstatue Auguste Bartholdi aus Colmar stammt und man zu seinem 100. Todestag eine 12m hohe Kopie angefertigt und aufgestellt hat.
Wir bezogen unser Zimmer im Ibis Centre am Rand der Altstadt und stellten das Auto im nahe gelegenen Parkhaus unter. An der Hotel-Rezeption erklang zum ersten (und zu Jochens Bedauern einzigen) Mal der Klang der deutschen Sprache mit herrlichem französischen Akzent. Da kann eine Frau aussehen wie sie will, man(n) hört ihr gerne zu.
Frisch motiviert machten wir uns mit Reiseführer, Stadtplan und Fotoapparat bewaffnet auf zur Erkundung der Altstadt. Colmar hat viel von seiner mittelalterlichen Architektur erhalten: Geht man jedoch am ehemaligen Gerberviertel vorbei, ist man durchaus froh, dass sich die Gerüche über die Jahrhunderte hinweg verflüchtigt haben.
An den Fotopunkt über die Lauch im Viertel Krutenau konnten wir uns noch gut erinnern, ansonsten kam uns Colmar deutlich größer vor als beim letzten Besuch.
Mittendrin mussten wir uns in der Markthalle mit einem Crémant d’Alsace und einer Brezel stärken, wobei wir überrascht waren, dass es so viele Brezelstände gab.
Dass das Elsass für Flammkuchen und Sauerkraut bekannt ist, wussten wir natürlich, dass die Region sich aber auch rühmt, die Brezel erfunden zu haben, war neu für uns – dabei konkurriert sie aber mit der Region Schwaben auf der anderen Rheinseite.
Nach der schwäbischen Sage wurde die Brezel von einem Bäcker aus Bad Urach erfunden, der durch einen Frevel bei seinem Landesherrn sein Leben verwirkt hatte. Da der Bäcker jedoch vorher gute Dienste geleistet hatte, sollte ihm noch eine Chance gegeben werden:
“Back ein Brot lieber Freund
durch das die Sonne dreimal scheint
dann wirst du diesmal nicht gehängt
das Leben sei Dir frei geschenkt.“
Der Bäcker ging ans Werk und erfand dabei die Brezel.
Auf dem Weg zum Museum Unterlinden kamen wir noch am Maison des têtes vorbei, das seinen Namen den zahlreichen die Fassade zierenden Steinköpfen verdankt:
Pünktlich zum Eintritt ins Museum begann es zu regnen und wir waren froh, den Rest des Nachmittags trocken durch die Ende 2015 neu eröffneten und erweiterten Ausstellungsräume zu schlendern. Zusätzlich zu den Räumen im ehemaligen Dominikanerinnen-Kloster wurde das ehemalige Badhaus in das Ausstellungskonzept eingebunden. Das Museum bietet einen bunten Mix aus allen Stilepochen, doch insbesondere die sakrale Kunst des Mittelalters zieht die Besucher in das Museum. Das berühmteste Exponat ist sicherlich der Isenheimer Altar mit Gemälden von Matthias Grünewald zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Um die ganze Pracht dieses Wandelaltars (dessen Flügel im Verlauf des Kirchenjahrs je nach Anlass unterschiedlich geöffnet bzw. geschlossen wurden) sehen zu können, zog man die einzelnen Schauseiten auseinander: nun sind deren Vorder- und Rückseiten zu bewundern.
Nach so viel Kultur hatten wir uns das Abendessen redlich verdient. Wir widerstanden den Lockrufen der Restaurants, die Flammkuchen anboten, da Alex im Vorfeld eine Lokalität entdeckt hatte, in der es Crêpes und Galettes gab – eher eine Spezialität aus der Normandie und Bretagne, aber einen Versuch war es immerhin wert.
Nach dem Verzehr müssen wir ehrlicherweise sagen, beides schon besser gegessen zu haben, aber mit einem spritzigen Cidre zum Runterspülen waren wir letztendlich doch satt und zufrieden. Durch die abendlich schön beleuchtete Altstadt spazierten wir anschließend zurück zu unserem Hotel.