Schwäbisch Hall (Deutschland) 31.10. – Kunst, Kirchen und Kirchenkunst

Es waren noch nicht viele Menschen auf dem Marktplatz zu sehen, als wir nach dem Frühstück zu unserem Spaziergang in Richtung Kunsthalle starteten. Später am Vormittag sollte sich das ändern, wurde doch heute anlässlich des 500-jährigen Gedenkens an die Reformation der Gottesdienst aus St. Michael von SWR4 live übertragen.

Noch liegt Ruhe über dem Marktplatz von Schwäbisch Hall -spätestens mit dem Glockengeläut zum Gottesdienst wird sich das ändern

Unterwegs zur Kunsthalle Würth hätte ein Maler mit Sicherheit sofort seine Staffelei ausgepackt und versucht, den Morgennebel über dem Kocher auf Leinwand zu bannen. Der Ausblick von der Terrasse der Kunsthalle hätte ihn sicherlich auch verführt, den Blick auf die Altstadt einzufangen. Wir waren etwas im Vorteil – mit einem Klick auf den Auslöser der Kamera war die Szene schon festgehalten.

Nebel über dem Kocher

Seit 2001 gibt es bereits die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall. In dieser Zeit wurden schon viele hochkarätige Werke gezeigt, von Munch über Hockney, Baselitz bis hin zu Christo und Picasso. Der Eintritt ist frei, lediglich die Teilnahme an Führungen kostet extra. Aktuell sind hier verborgene Schätze aus dem Bestand der Akademie der Bildenden Künste Wien ausgestellt.

Am linken Ufer des Kocher steht die Kunsthalle Würth

Blick von der Aussichtsterrasse der Kunsthalle

Wer jetzt jedoch erwartet, dass ausschließlich österreichische Künstler ausgestellt werden, wird eines Besseren belehrt: waren zunächst nur Werke von Mitgliedern der 1692 gegründeten Akademie zu sehen, vermachte Anton Franz de Paula Graf Lamberg-Sprinzenstein 1822 seine rund 750 Werke umfassende bedeutende Gemäldesammlung der Akademie und erweiterte das Spektrum der Sammlung enorm. So kommt es, dass wir – neben uns weitgehend unbekannten österreichischen Malern – auch Bilder von Peter Paul Rubens, Zeichnungen von Rembrandt, Druckgrafiken von Albrecht Dürer sowie Gipsabgüsse antiker Skulpturen bewundern konnten. Letztere dienten den Schülern der Akademie in ihrem dritten Lehrjahr als Vorlage für ihre Skizzen und Zeichnungen.
Als Kontrast hingen zwischen den Meisterwerken immer wieder einzelne moderne Kunstwerke aus der Sammlung Würth, z.B. waren zwischen historischen Portraits auch Picasso- oder Andy Warhol-Portraits zu sehen.

Nachdem wir uns die Ausstellung einmal komplett angeschaut hatten, startete unsere Führung um 11:30 Uhr. Wie immer war es gut, sich vorher die Zeit genommen zu haben, in Ruhe durch die Ausstellung zu schlendern, bevor es zu einzelnen Werken noch weitere Erläuterungen vom Museumsführer gab, der uns hinsichtlich Stimmlage und Satzbau mit vielen “Äh’s” und “Oh’s” oft an Piet Klocke erinnerte – nur bei der Frisur gab es deutliche Unterschiede.

Fotografieren war leider nicht erlaubt, so dass hier exemplarisch nur ein paar von der Homepage des Museums kopierte Abbildungen der Werke zu sehen sind, die sich im Original in der Ausstellung befinden.

Um Reinhold Würths Sammlung sakraler Kunst aus dem Mittelalter zu zeigen, wurde die im 12. Jahrhundert erbaute Johanniterkirche aufwändig restauriert und zu einem Kunstmuseum, der Johanniterhalle, umgebaut. Ein kurzer Fußweg entlang des Kocher und schon kann der Museumsbesuch fortgesetzt werden.

Der Nebel hat sich mittlerweile verzogen
Der Eingang der von außen unscheinbaren Johanniterkirche.

Ausgestellt werden hier Werke der ehemals Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen sowie zahlreiche Neuerwerbungen wie z.B.  die Darmstädter Madonna von Hans Holbein dem Jüngeren, eines der bedeutendsten Gemälde des 16. Jahrhunderts. Seit 2013 wird hier der Falkensteiner Altar des Meisters von Meßkirch präsentiert, einer der bedeutendsten Künstler altdeutscher Malerei.
Außerdem faszinierten uns drei Arbeiten von Tilman Riemenschneider, dessen Werke wir bereits in Würzburg und Umgebung bewundert hatten.

Nach einer Stunde war unsere Aufnahmekapazität erschöpft, wir traten den Rückweg zum Marktplatz an, wo wir unser Auto geparkt hatten. Auf dem Heimweg machten wir zuguterletzt noch einen Abstecher zur Großcomburg, einem hoch über dem Kocher gelegenen ehemaligen Kloster.

Kloster Großcomburg, seit 2004 Sitz einer Staatlichen Akademie für Lehrerfortbildung

Die Klosterkirche ist nur im Rahmen einer zur ganzen Stunde stattfindenden Führung zu besichtigen – zunächst dachten wir, diese würde heute ausfallen, da der Ticketverkaufsraum verschlossen war. Wie sich allerdings herausstellte, war die Führerin gleichzeitig auch die Verkäuferin der Eintrittskarten,  somit konnte der Ticketverkauf erst starten, nachdem die vorhergehende Führung abgeschlossen war.

Im Inneren der Kirche, die durch die nachmittägliche Sonne in ein faszinierendes Licht getaucht wurde, befinden sich zwei Kunstwerke von herausragender Bedeutung: Zum Einen ein 900 Jahre alter Radleuchter,  von denen heute nur drei (u.a. im Aachener Dom) erhalten sind und der mit seinen zwölf Türmen das himmlische Jerusalem symbolisiert, und zum Anderen das Antependium, eine Altarverkleidung aus Gold, Silber und Emaille.

Zwölf Türme symbolisieren das himmlische Jerusalem
Radleuchter und Antependium

Bei der vielen Pracht und der Verlockung, alles auf ein Foto zu bannen, ging es jedoch auch darum, nichts von den interessanten Geschichten unserer Führerin zu verpassen. Zu den Figuren, die die Kanzel schmücken und die Untugenden darstellen, erfuhren wir zum Beispiel, dass Dummheit keine Untugend ist, sondern Schicksal. Ungewöhnlich war auch, dass im Zentrum des Hochaltars nicht Maria das Christuskind auf dem Arm hält, sondern der rechts von ihr platzierte Josef diese Aufgabe übernehmen muss.

Nach der Führung spazierten wir entlang der Klostermauer einmal rund um die Anlage mit Ausblicken auf Schwäbisch Hall und das Umland und machten uns anschließend mit vielen schönen Eindrücken auf den Nachhauseweg.

Ringmauer um die Großcomburg

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