Valencia (Spanien) 03.01. – Es darf ruhig ein bisschen Meer sein

Einen kleinen Appetithappen auf das, was uns heute erwartete, hatten wir gestern bereits während der Altstadtführung bekommen: es stand die Besichtigung der Seidenbörse und ein ausgiebiger Rundgang durch den Zentralmarkt auf dem Programm – unter anderem auch ein Ausflug ans Meer.

Nach Durchsicht der Top 10-Sehenswürdigkeiten-Liste von Valencia bei tripadvisor nahmen wir kurzerhand noch den Besuch der Kirche San Nicolás de Bari and San Pedro Mártir mit in unser Besichtigungsprogramm auf,  die auch als “die valenzianische Variante der sixtinischen Kapelle” bezeichnet wird – wenn man den Innenraum betritt, wird sofort klar, wieso. Die im gotischen Stil mit Kreuzrippengewölbe erbaute Kirche wurde in der Zeit des Barock vervollständigt – als Besucher weiß man im ersten Moment gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll und ohne den im Eintrittspreis enthaltenen Audioguide würde man sicher nichts von den Geschichten hinter den Abbildungen verstehen.

Wenn das mal kein Barock ist
Ein Blick nach oben – wo ist nur der Anfang und wo das Ende der Geschichte

Nach der Besichtigung der Kirche sollte es nicht weniger spektakulär mit dem Besuch der Seidenbörse weitergehen. Von außen mutet das im 16. Jahrhundert vollendete und mittlerweile von der UNESCO in die Weltkulturerbeliste aufgenommene Gebäude eher wie eine Burg und weniger wie ein Handelszentrum an. Die urspüngliche Nutzung des Gebäudes war eine Wechselstube, denn jede Region und jedes Fürstentum hatte eine eigene Währung – Valencia bekam bereits 1407 vom König von Aragón das Recht eingeräumt, eine offizielle Wechselstube zu eröffnen. Erst Ende des 17. Jahrhundert, nachdem Valenzia ab dem 15. Jahrhundert zum Zentrum der Seidenweberei aufstieg, wurde das Gebäude in “Lonja de la Seda”, also “Seidenbörse”, umbenannt.

Von außen erstmal gar nicht so spektakulär

Bei einem Rundgang von außen lohnt es sich, den Blick nach oben zu richten und die Kunstfertigkeit der Steinmetze zu bewundern.

Die prunkvollen steinernen Wasserspeier in Form von Fabelwesen kennt man ansonsten nur von Kirchen
Was bläst der Teufel da dem armen Hund in den Hintern?

Betritt man die Seidenbörse, kommt man zunächst in die große Säulenhalle, die den Eindruck erweckt, man befände sich in einem Palmenhain.

Säulenhalle der Seidenbörse – reine Gotik

Hier finden sich auch Hinweise auf das Stadtwappen von Valencia, bei dem ein ungewöhnliches Tier auf der Krone sitzt: eine Fledermaus. Im ehemaligen Königreich Aragón wurde der ursprünglich dargestellte Drache durch die Fledermaus abgelöst.

Batman lässt grüßen

Im oberen Stockwerk der Seidenbörse, das man über eine breite  Außentreppe vom Patio aus erreicht, befindet sich der Versammlungssaal, bei dem sich ein Blick auf die reich verzierte Holzdecke lohnt.

Prunkvoller Fußboden und goldverzierte Holzdecke – wer auch immer sich hier versammelt hat, arm war er sicherlich nicht

Nicht nur im 15. Jahrhundert wurde in Valancia gebaut, auch Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden – neben der Neugestaltung des Stadtteils Ensanche – etliche neue Gebäude wie z.B. der Mercado Central. Die Realisierung des Zentralmarkts erfolgte im damals auch in Barcelona sehr beliebten Baustil des Modernisme, einem spanischen Ablegers des Jugendstils.

Fassade des Zentralmarkts – immer der Nase nach und schon ist man in der Halle angekommen, in der  Fisch verkauft wird
Da schauen mehr Augen von der Ladentheke zum Käufer als umgekehrt
Jamones in Hülle und Fülle…
…aber auch Gemüse und Obst finden ihre Abnehmer

Ein weiterer Prachtbau – jedoch aus dem 18. Jahrhundert –  ist der Palacio del Marqués de Dos Aguas, ein Gebäude, das dem gleichnamigen Adelsgeschlecht gehörte: “Klotzen statt Kleckern” lautete die Devise. In diesem prunkvollen Palast ist heute das spanische Nationalmuseum für Keramik untergebracht und das prächtige Portal aus Alabaster zählt zu den meistfotografierten Sehenswürdigkeiten Valencias.

Der Palast wirkt heute mit seinen Türmchen und vielen Verzierungen fast wie in Fremdkörper in der Stadt
Fabelwesen und Allegorien umrahmen die Heilige Jungfrau des Rosenkranzes

Weitere Prachtbauten aus Gründerzeit und Jugendstil findet man rund um die Plaza del Ayuntamiento, dem Rathausplatz. Eines der spektakulärsten Gebäude ist die Hauptpost von Valencia mit Fernmeldeturm auf dem Dach und einer mit dem Wappen der Stadt verzierten Glaskuppel im Innenhof.

Da geht die Post ab
Wieviele Briefe muss man verschicken, bis man sich eine solche Kuppel leisten kann?

Nicht weniger prunkvoll ist das gegenüber stehende Rathaus der Stadt aus dem Jahr 1934. Ursprünglich hatte das Gebäude keinen Balkon, was Diktator Franco jedoch ein Dorn im Auge war: Er ließ das Rathaus kurzerhand mit einem Vorbau versehen, um sich angemessen seinem Volk zeigen zu können. Seit 2015 darf man auch als Besucher auf die Veranda – allerdings erst nach Passieren der Sicherheitskontrolle. Auch wir nutzten die Gelegenheit, den Blick zu genießen, der bis vor zwei Jahren noch Gästen von hohem Rang und Namen vorbehalten war.

Das Rathaus

Noch einmal zurück zum Jugendstil: Ein paar Schritte entfernt vom Rathaus steht der Bahnhof Valencia Norte, der im Jahr 1917 fertiggestellt wurde und von den Ideen der Wiener Secessionisten beeinflusst ist. In der Bahnhofsvorhalle wünscht man den Reisenden in Form von bunten Mosaiken in verschiedenen Sprachen eine “Gute Reise”.

Warum über dem Eingang des Bahnhofs ein Adler und keine Fledermaus thront, konnten wir uns nicht erklären
“Gute Reise” auf Spanisch

Nach soviel innerstädtischem Trubel entflohen wir den Menschenmassen durch eine kurze Reise mit der Metro zum Meer, das nur knapp 6 km vom Stadtzentrum entfernt liegt. Erster Anlaufpunkt war das alte Hafenbecken, das anlässlich der Ausrichtung des America’s Cup im Jahr 2007 komplett umgebaut wurde. Die bei der Regatta genutzten Gebäude stehen heute weitgehend leer, von der Terrasse des imposanten Veles e Vents-Gebäudes hat man jedoch immer noch einen tollen Rundumblick auf das alte Hafenbecken und den neuen Frachthafen. Wir nutzten die Gelegenheit, bei einem kühlen Getränk ein wenig zu verschnaufen, bevor wir uns zum breiten Sandstrand aufmachten, wo im Sommer sicher mehr los ist.

Veles e Vents von außen …
… und der Blick von innen: Keine Segelyachten, sondern Containerschiffe
An den Strand passt sicherlich halb Valencia

Auf dem Strand-Foto sieht man bereits die langen Schatten – ein untrügliches Zeichen, dass es langsam Zeit wurde, mit der Tram in die Innenstadt zurückzukehren und ein Lokal zum Abendessen aufzusuchen. Die Auswahl hatten wir schon einen Abend zuvor getroffen: Wir wollten Tapas probieren und im Restaurant Sagardi ist das sehr einfach möglich. Die Häppchen stehen auf der Theke, man nimmt sich, was man haben will – ohne zu wissen, was es genau ist – und bezahlt am Ende seine Rechnung anhand der Anzahl der auf dem Teller verbliebenen Zahnstocher. Einfach, aber nicht günstig: Ein Tapas kostet 2,10 € und schnell kommen sechs bis sieben Tapas pro Person zusammen.

Freie Auswahl an der Theke des Sagardi
Sieht nicht nur gut aus, sondern schmeckt auch gut

Entdeckt man Hinweisschilder an Bars mit sogenanntem “Agua de Valencia”, so bedeutet dies nicht etwa, dass man dort ein Gläschen chlorhaltiges Wasser vorgesetzt bekommt: Bereits bei der Stadtführung gestern Morgen erklärte uns Elena, dass es sich dabei um ein Getränk aus 70% Cava, 25% Orangensaft und 5% Wodka handelt. Damit man den Alkohol nicht schmeckt, wird je nach Gusto mehr oder weniger Zucker hinzugegeben. Bei übermäßigem Verzehr lohnt es sich wahrscheinlich,  die Kopfschmerztabletten direkt darin aufzulösen.

Agua de Valencia (links) und Tinto de Verano (rechts) schauen ganz unschuldig drein

Auf dem Heimweg machten wir noch einen Abstecher ins Café Infanta , wo sich Jochen todesmutig ein Glas Agua de Valencia bestellte, während Alex mehr Lust auf einen Tinto de Verano hatte – nach diesen beiden Absackern brauchten wir anschließend im Hotel nicht lange, bis wir wohlverdient in den Schlaf sanken.

 

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