Mit Kanada bringen wir einiges in Verbindung – unberührte Natur im Westen, Niagarafälle und tolle Städte im Osten – aber definitiv keinen Wein. Tatsächlich wird im Okanagan Valley, südöstlich von Kamloops, überwiegend Weißwein angebaut.
Kyle hatte uns den Tipp gegeben, auf dem Weg zum Okakagan Valley an der historischen O’Keefe Ranch einen Zwischenstopp einzulegen. Hier hat man auf dem Gelände der 1867 von Cornelius O’Keefe gegründeten Farm ein Freilichtmuseum mit historischen Gebäuden und originalgetreuer Einrichtung geschaffen. Angelockt vom Cariboo-Goldrausch kam Cornelius aus Ontario 1862 nach British Columbia. Da er bei der Goldsuche nicht sonderlich erfolgreich war, erwarb er 1867 gemeinsam mit seinen beiden Partnern Thomas Greenhow und Thomas Wood Land am nördlichen Okanagan Lake und eröffnete neben einem Gemischtwarenladen auch eine Poststation.
Der Laden in seiner heutigen Ausstattung präsentierte allerlei Inventar aus der damaligen Zeit, wie zum Beispiel einen per Muskelkraft betriebenen Handstaubsauger oder Dinge des alltäglichen Gebrauchs wie Kaffee oder Tee. Süßigkeiten kann man dort auch heute noch erwerben – eine Chance, die sich Jochen nicht entgehen lassen konnte.
Im Herrenhaus startete um 12:30Uhr eine Führung, bei der wir mehr zur Geschichte des Anwesens und seiner Bewohner erfuhren. So hatte Cornelius O’Keefe von drei Frauen insgesamt 17 Kinder, das letzte kam auf die Welt, als er bereits 76 Jahre alt war. Sein jüngster Sohn Tierney O’Keefe und dessen Frau Betty beschlossen Mitte der 1960er Jahre, das Anwesen als Museum zu öffnen. Genau 100 Jahre nach der Gründung der Ranch wurde das Museum 1967 der Öfffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach 10 Jahren in eigener Verwaltung übertrugen die Beiden das Anwesen einer gemeinnützigen Organisation, die es heute betreibt.
Nach der Führung schauten wir uns das restliche Gelände an, unter anderem die St. Anne’s Church. Sicherlich hätten wir noch mehr Zeit auf der Ranch verbringen können, da jedoch noch eine weite Strecke bis ins Okanagan Valley vor uns lag, entschlossen wir uns, nach anderthalb Stunden Aufenthalt aufzubrechen.
Das Tal rund um den Okanagan Lake weist ein außergewöhnlich warmes und trockenes Klima auf. Ursprünglich wurde es von den First Nations aus der Sprachfamilie der Salish besiedelt. Erst im Jahr 1811 kamen Europäer in das Tal und gründeten einen ersten Handelsposten. Der wirtschaftliche Aufschwung des Tals ist eng mit Obstanbau und im Süden in Penticton mit Holzverarbeitung verbunden, später kam Weinanbau hinzu. Bei der Fahrt durch das Tal sieht man immer wieder Verkaufsstände, die das hier produzierte Obst vermarkten.
Wir wollten jedoch einige Weingüter rund um den See besuchen, im Vorfeld hatten wir uns schon einige der größten und schönsten Weingüter ausgesucht: als Erstes stand die Gray Monk Estate Winery auf der Liste. Die Rebsorte Pinot Gris, die in Österreich auch als “Grauer Mönch” bezeichnet wird, gab dem Weingut der Familie Heiss, Auswanderern aus Europa, seinen Namen.
Heute kann man nicht nur im Showroom an Weinproben teilnehmen oder Wein kaufen, sondern es sich auf der Terrasse des Restaurants Grapevine mit Blick auf den See gut gehen lassen. In der Eingangshalle präsentiert man stolz die Auszeichnungen, die man bereits für den produzierten Wein erzielt hat.
Auf der Terrasse sitzend orderten wir eine Kleinigkeit aus der ansprechenden Speisekarte: gegrilltes Saisongemüse, marinierte Oliven, Tomaten, Waldpilzpastete, Edamame-Hummus, Cracker und einen Brotkorb mit unterschiedlichen Brotsorten sowie Brotaufstrichen. Klingt gut – und war auch gut.
Und nicht nur wir ließen es uns gut gehen: Zwischen den Weinreben saß eine Herde Wapitis im Schatten und ließ sich die reifen Trauben munden.
Mittlerweile war es schon kurz vor halb 4, wir mussten dringend weiter. Nächster Halt war bei der Summerhill Pyramid Winery: Um sich von anderen Weingütern abzuheben, wurde auf dem Gelände eine Pyramide errichtet, die dem Weingut seinen Namen gab. Zudem bietet die Installation einer Weinflasche mit Glas ein schönes Fotomotiv, ebenso wie der wunderschöne Blick über den See.
Wenn Wein und toller Ausblick nicht ausreichen, um Kundschaft anzulocken, fehlt vielleicht noch eine außergewöhnliche Architektur zusammen mit im Park installierter Kunst – zumindest war das die Idee der Mission Hill Winery, unserem nächsten Halt.
Anthony von Mandl, ein Weinhändler aus Vancouver, der seine Kindheit in Europa verbrachte und dort den Handel mit Wein erlernte, kaufte 1981 das Weingut Mission Hill. Da in seiner Heimat Glocken zur täglichen Routine gehörten, wollte er diese Tradition auch nach Kanada bringen: in Zusammenarbeit mit der französischen Glockengießerei Paccard realisierte er seinen Traum vom eigenen zwölfstöckigen Glockenturm.
Zum Abschluss noch ein bisschen Kunst: Am Brunnenrand saß eine traurig anmutende Figur, die ins Wasser auf die vielen Münzen blickte, die sich am Boden des Brunnens angesammelt hatten.
Zum Abschluss unseres Ausflugs fuhren wir ganz an die Südspitze des Sees nach Penticton. Mittlerweile schon spät waren die Badegäste, die am heutigen Labour Day den Strand tagsüber mit Sicherheit gesäumt hatten, schon zu Hause. Wir nutzten den milden Sommerabend für einen kleinen Spaziergang entlang der Promenade. Am Ufer lag der Schaufelraddampfer SS Sicamous aus dem Jahr 1914, der seinerzeit Menschen über den See transportierte, bevor das Auto Einzug hielt und Autobahnen rund um den See gebaut wurden.
An der Uferpromenade hat man einem wichtigen Produkt, das rund um den See geerntet wird, ein Denkmal gesetzt – dem Pfirsisch. Nicht zu Unrecht trägt eine andere Stadt am See den Namen Peachland.
Am Restaurant Hooded Merganser Bar & Grill in sehr schöner Lage mit Blick auf den See angekommen, beschlossen wir, noch einen Happen zu uns zu nehmen.
Die Lage des Restaurants sagt jedoch nicht immer etwas über die Qualität der Speisen aus: Pizza Margherita und Caesar Salad hatten mit ihren Namensvettern recht wenig gemein.
Mit einem Espresso gestärkt traten wir um 20 Minuten vor neun die lange Rückfahrt nach Kamloops an, eine Strecke von 240km – zum Glück war der Highway über die Berge der Rocky Mountains sehr gut ausgebaut und wir konnten meistens 120km/h fahren. An der Strecke gab es beim Anstieg Haltebuchten für das Aufziehen von Schneeketten. Die Temperaturanzeige unseres Autos zeigte minimal 2 Grad an, der erste Schnee wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Gegen 23 Uhr erreichten wir todmüde Kamloops und freuten uns auf unsere beiden Kingsize- Betten.