Passa 05.09. – Die wilden Tiere von Collioure

Heute hatten wir mehr Zeit, vor dem Abendessen Collioure ein wenig zu erkunden. Auf dem Weg vom Parkplatz am Bahnhof in die Stadt war uns bereits beim letzten Besuch eine Plakette an einem Haus aufgefallen, die besagt, dass sich der Maler Henri Matisse im Mai 1905 dort einquartierte und ihm im Sommer des gleichen Jahres André Derain hierhin folgte. Die beiden arbeiteten an einem neuen Malstil, der nach vernichtenden Kritiken ihrer Ausstellung im Pariser Salon d’Automme 1905 als Fauvismus (fauves = wilde Bestien) bezeichnet wurde. Der Stil brach mit den bisherigen Konventionen und setzte vor allem auf lebhafte Farben – ein Vertreter der klassischen Moderne. An unterschiedlichen Orten in der Stadt finden sich Kopien der Bilder und zeigen, wie die Maler die Szenerie vor Ort in ihre Kunstwerke umsetzten.

Unterkunft von Henri Matisse und André Derain im Jahr 1905
André Derain malte in Collioure Frau Matisse im Kimono

Bevor wir die Werke entlang des Chemin du Fauvisme suchten, schlenderten wir durch die verwinkelte Altstadt von Collioure mit vielen schönen kleinen Läden, wobei natürlich Souvenirgeschäfte auch nicht fehlen dürfen.

Ganz schön was los in den Gassen von Collioure

Besonders beschaulich und farbenfroh geht es im alten Quartier du Mouré zu, dem ehemaligen Fischerviertel der Stadt gleich oberhalb der Kirche Notre-Dame-des-Anges: Bepflanzte Balkone, Blumenkübel mit Blütenpracht und bunte Häuser prägen das Viertel. Bereits von den ersten Fischern mit nicht mehr für ihre Boote benötigten Farbresten angestrichen, lebt diese Tradition heute bei der Gestaltung der Fassaden weiter.

Bunte Häuser in die Rue du Mirador
Farben wie aus dem Bonbon-Automaten

Am Ende der Rue du Mirador warfen wir einen kurzen Blick in die Kirche Notre-Dame-des-Anges, in dem ein prächtig vergoldeter Altar im katalanischen Barockstil die Blicke der Besucher auf sich zieht.

Ein bisschen weniger Gold hätte es auch getan

Am Hafen mit dem kleinen Strand und den Restaurants saßen die Gäste noch beim Nachmittagskaffee oder einem kühlen Getränk, die Zeit für das Abendessen war noch nicht gekommen.

So lässt sich der Sommer genießen

Bereits hinter der Kirche und an einigen Orten an der Uferpromenade hatten wir Kopien der Bilder von Henri Matisse und André Derain gesehen. Bilder der Kirche oder der Segelboote lassen sich heute gut mit dem Zustand von vor über 100 Jahren vergleichen.

Die Maler hätten heute ebenso viele schöne Motive rund um das Hafenbecken von Collioure finden können, wenn auch eher Touristen statt Fischerbooten das bestimmende Element gewesen wären. So verewigte Jochen wie viele andere Touristen die Szenen mit seinem Fotoapparat – den Malern des Fauvismus wäre das vermutlich deutlich zu nah an der Realität gewesen.

Jochen LeNonFauviste – “Sommertag in Collioure(2021)
Jochen LeNonFauviste – “Bunte Ruderboote in Collioure(2021)

Das Restaurant für das Abendessen hatten wir uns bereits bei unserem letzten Besuch ausgesucht: Die Crêperie Bretonne Annaick de Collioure servierte uns schöne Erinnerungen an unsere Reise in die Normandie und Bretagne – wir bestellten jeweils eine Galette und einen Crêpe und genossen dabei eine Flasche Cidre Doux. So wirklich konnten wir uns bisher nicht mit der französischen Küche anfreunden, aber diese einfachen Gerichte gehen immer.

Da das benachbarte Hotel-Restaurant Les Templiers heute im Gegensatz zum letzten Mal geöffnet hatte, beschlossen wir, unseren obligatorischen Expresso dort einzunehmen. In der Restaurantbar verkehrten Anfang des 20. Jahrhunderts neben Matisse und Derain auch weitere Maler, die bei fehlendem Bargeld ihre Zeche auch mit Bildern beim damaligen Besitzer René Pous begleichen konnten. So kamen insgesamt mehr als 3000 Bilder zusammen, die teilweise in der Bar zu sehen sind. Sicherlich finden sich hier heute keine Meisterwerke mehr von Matisse oder Derain, aber auch so bildet die Bar eine schöne Kulisse für einen Espresso in der Stadt.

Mit einem kurzen Spaziergang entlang des Hafens in der langsam untergehenden Sonne verabschiedeten wir uns von Collioure – à demain, wie der Franzose sagt.

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