Alet-les-Bains 08.09. – In steinigem Terrain unterwegs

Für die ersten zwei Stunden Sightseeing mussten wir uns heute nicht ins Auto setzen, sondern nur die Haustür abschließen und wenige Minuten Richtung Altstadt von Alet-les-Bains laufen. Bereits durch das Fenster unseres Ferienhauses sah man Teile der Ruine der ehemaligen Abteikirche und Kathedrale Sainte Marie.

Dass es im kleinen Alet-les-Bains überhaupt eine Kathedrale gab, lag wie so oft im Spiel um Macht und Einfluss begründet: Der Papst mit Sitz in Avignon (es war die Zeit, in der es zwei Päpste gab) konnte mit der Gründung des Bistums an dieser Stelle der Macht des Erzbischofs von Narbonne und des Bischofs von Toulouse etwas entgegensetzen. Zum Einsturz des Kirchengewölbes kam es während der Hugenottenkriege: Die Kirchentürme boten einen strategisch wichtigen Punkt und lagen daher immer wieder unter Beschuss. Schließlich stürzte die Kirche 1577 ein, das Refektorium wurde noch wenige Jahre weiter genutzt und schließlich wurde das Bistum 1592 aufgehoben.

Die Kathedrale oder was davon nach dem Einsturz im 16. Jahrhundert übrig blieb
Kein Blumenschmuck auf den Gräbern, dafür Erinnerungen der Angehörigen und Freunde

Schon vom Friedhof aus sahen wir Reste der filigranen Ornamente – ein Hinweis auf den ehemaligen Reichtum des Bistums.

Nach unserem Rundgang auf dem Friedhof bezahlten wir an der Kasse unseren Eintritt zur Kathedrale. Für 4 EUR bekamen wir eine ausführliche und sehr professionell gestaltete Beschreibung auf Deutsch und legten mit unserer Besichtigung los.

Vom Chor aus ließen sich die Ausmaße der Kirche gut erkennen. Aufpassen mussten wir lediglich auf die Hinterlassenschaften der aktuellen Bewohner der Kathedrale – trotz Nagelbänder haben sich hier Tauben häuslich eingerichtet.

Blick vom Chor in Richtung Westportal
Blick durchs nicht mehr vorhandene Mittelschiff zur Kirche St. André

Am Eingang zum Kapitelsaal mit gotischem Kreuzrippengewölbe, das über die ursprünglichen romanischen Rundbögen errichtet wurde, sind weitere eindrucksvolle Steinmetzarbeiten zu bewundern. Dabei handelt es sich allerdings um Nachbildungen. Die Originale befinden sich gleich nebenan, vor Wind und Wetter geschützt, im Eingangsbereich der Kirche St. André.

Nach einem letzten Blick ins Deckengewölbe einer ehemaligen Kapellen der Kathedrale gingen wir hinüber in die Pfarrkirche Saint-André aus dem 14. Jahrhundert, wo wir ebenfalls den Blick zur Decke richteten. In der kleinen Kapelle St. Benoit sind Überreste von Fresken aus dem 14. Jahrhundert zu sehen – auch dies ein Zeichen für den Reichtum der Gemeinde.

In einer der Kapellen auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche befinden sich weitere Gegenstände aus dem Kirchenschatz – eine Marienfigur aus Holz aus dem 12. Jahrhundert und eine aus Elfenbein geschnitzte Figur aus dem 16. Jahrhundert -, an denen längere Zeit der Louvre ein ausgeprägtes Interesse am Erwerb signalisiert hatte (laut unserer kleinen Broschüre).

Maria mit Jesuskind aus dem 12. Jahrhundert
Maria mit Jesuskind aus dem 16. Jahrhundert

Nach so viel sakraler Kunst erkundeten wir die Altstadt von Alet-les-Bains. Schmale, enge Gassen mit schön restaurierten Häusern laufen sternförmig auf die Place de la République zu. Da jedoch kaum etwas los war, verpasste man nichts, sollte man den Vormittag verschlafen haben.

Ein kurzer Abstecher führte uns zum Ufer der Aude, die hier gemächlich an der Stadt vorbeiströmt und von einer alten Steinbrücke überspannt wird. Von der Thermalquelle, die bereits vor 2000 Jahren von den Römern entdeckt wurde, ist in der Stadt nicht mehr viel zu sehen und das Casino an der Einfahrt ins Dorf verdient ebenfalls keinerlei Erwähnung.

Eine Ode an die Aude

Für die Besichtigung der atemberaubenden Schlucht Gorges de Galamus mussten wir über holprige und kurvige Straßen ohne große Höhepunkte eine Stunde mit dem Auto Richtung Südwesten fahren. Unterwegs sahen wir in Quillan Werbung für den Automobilhersteller Skoda mit weißer Farbe auf die Straße gepinselt und auf der Fahrt vom Col de Saint-Louis hinab ins Tal waren – deutlich weniger professionell, aber durchaus erkennbar – Namen und Botschaften auf die Straße geschrieben. Durch Zusammenzählen von eins und eins war Jochen natürlich klar, dass hier eine Tour de France-Etappe entlang geführt hatte. Für Radsportinteressierte die Zusatzinfo: Die Etappe gewann der Niederländer Bauke Mollema nach 40 Kilometern Solofahrt in Quillan.

Nach weiteren Kilometern erreichten wir die Gorges de Galamus. Der kleine Fluss Agly hat hier ein wahres Meisterwerk geschaffen, indem er einen tiefen Einschnitt in den Fels geschliffen hat. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit Dynamit eine atemberaubende Fahrstraße ins Gestein gesprengt, die heute den Übergang zwischen den Départements Aude und Pyrénées-Orientales bildet.

Zunächst parkten wir gegenüber der Eremitage von Saint-Antoine und Jochen wanderte dorthin hinab, wo bereits im 15. Jahrhundert ein Eremit lebte. Durch die Säkularisation der Klöster war die Eremitage bis zum Jahr 1843 verwaist, als der Franziskanermönch Père Marie-Joseph Chiron einzog und bis zu seinem Tod 1852 dort lebte. Sein Grab befindet sich heute am Eingang zur Einsiedelei. Ob der Pater es gut finden würde, dass auf seinem ehemaligen Grundstück ein kleiner Shop Andenken, Kekse und Kaffee verkauft?

Kleines Suchbild: Die Einsiedelei befindet sich dort, wo die Farbe des Felses von Grau in Orange wechselt
Heute mit Fahrstraße und Touristen ist an Einsamkeit nicht mehr zu denken
In einer Grotte haben Priester eine Kirche geschaffen
Blick in den Altrarraum der Kirche
Blick auf die Einsiedelei vom Rückweg aus
Diesen Blick hatte der Einsiedler jeden Tag – romantisch ist aber sicher anders, ohne Strom, Heizung, fließendes Wasser und Toilette

Als Jochen verschwitzt vom kurzen Fußmarsch bei hoher Luftfeuchtigkeit zurück kam, saß Alex im kleinen Café, hatte einen leckeren Crêpe verspeist und sich ein wenig über eine Frau gewundert, die mit zwei Aras auf den Schultern (offensichtlich ihre Haustiere) ebenfalls dort eine kurze Pause eingelegt hatte.

Da hat wohl jemand einen Vogel – oder auch zwei

Vom Parkplatz fuhren wir weiter entlang der Straße durch den schmalsten und spektakulärsten Teil der Straße, die mittlerweile für Busse und Wohnmobile gesperrt ist. Und weil man vom Auto aus nicht viel von der Schlucht sieht, sondern mehr die Straße und den Gegenverkehr im Blick haben muss, parkten wir am ersten Parkplatz nach der Durchfahrt und spazierten ein Stück des Weges zurück, um die wahrlich beeindruckende Landschaft auf Fotos festzuhalten.

Die Straße zieht sich entlang eines schmalen Streifens durch den Fels
Hoffentlich kommt kein Gegenverkehr

Unten im Tal hörten wir abenteuerlustige Besucher, die den Flusslauf des Agly für Canyoning nutzten und sich dabei von Felsvorsprüngen mutig in die kleinen Wassergumpen stürzten.

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