Carovigno, 12.09. – Ab in den Süden und das Wurst-/Käse-Szenario

Der italienische Stiefelabsatz umfasst die Halbinsel Salento, eine der wichtigsten Städte neben Lecce ist Otranto, was wir uns heute anschauen wollten. Der südlichste Punkt unserer Fahrt lag allerdings in Minervino di Lecce: Zuhause hatten wir schon oft Produkte von hier genossen und nun wollten wir wissen, wo genau sie hergestellt werden – doch dazu später.

Zunächst fuhren wir zur archäologischen Grabungsstätte Roca Vecchia, auf halber Höhe zwischen Lecce und Otranto: Der Fundort war bereits im 17. Jahrhundert v. Chr. bewohnt und beschäftigt noch heute Archäologen, die hier Ausgrabungen durchführen – auch als wir vor Ort waren, gab es ein sehr kleines, durch einen Zaun abgegrenztes Areal, in dem junge Forscher:innen nach Anzeichen einer Besiedlung suchten. Um schöne Fotos der Küste und der Grotta della Poesia aufzunehmen, waren die Zäune eher hinderlich. Anders als man vermuten könnte leitet sich der Name der Höhle aus dem Mittelgriechischen ab und bezeichnet den Ort einer Süßwasserquelle. Die Grotte wurde in grauer Vorzeit für kultische Zwecke genutzt, von denen Felsmalereien heute noch zeugen. Ursprünglich war die Grotte wohl nur von der Meerseite aus zugänglich, das später eingestürzte Dach sorgte dafür, dass sie bis 2019 als Badeort genutzt wurde. Danach trat ein Badeverbot in Kraft, an das uns die Mitarbeiterin der Kommune freundlich hinwies, als wir die 3 EUR Eintrittsgebühr entrichteten.

Grotta della Poesia – Reinspringen verboten!
Blick auf die adriatische Küste mit aragonischem Wachturm im Hintergrund

Nächster Stopp auf unserer Fahrt entlang der adriatischen Küste nur wenige Kilometer weiter südlich war Torre Sant’Andrea: Spektakulär ragen hier Felsnadeln und Felsbögen aus dem türkisblauen Meer heraus und bilden eine atemberaubende Kulisse. Baden ist hier nicht verboten, es stürzten sich einige Mutige von niedrig gelegenen Felsvorsprüngen in die Brandung.

Anschließend fuhren wir an Ortranto vorbei landeinwärts nach Minervino di Lecce. Seit einer kleinen italienischen Party bei uns zu Hause mögen wir den samtweichen Rotwein des Weingutes Menhir Salento. Die Online-Suche nach dem Weingut hatte sich ebenso schwierig gestaltet wie die Suche vor Ort: Den Eingang zum Shop, mitten im Ort hinter einer unscheinbaren Tür verborgen, hätten wir fast verpasst, und gegen eine Möglichkeit einer kleinen Probierstunde hätten wir auch keine Einwände gehabt. Da dies leider nicht möglich war und das zugehörige Restaurant hinter dem Shop noch nicht geöffnet hatte, kauften wir zumindest zwei Flaschen Rotwein und setzten unsere Fahrt fort. Woher der Wein kommen soll, der hier gekeltert wird, ist uns allerdings völlig unklar, denn auf unserer gesamten Fahrt am heutigen Tag sahen wir keinerlei Weinreben. Vielleicht hat man in Apulien ein Rezept gefunden, um aus Alkohol, Lebensmittelfarbe und Geschmacksstoffen einen trinkbaren Rotwein zu mixen.

Das erste, das uns in Otranto bei der Suche nach einem Parkplatz ins Auge sprang, waren Schilder privater Parkplätze, die pauschal 4 oder 5 EUR Parkgebühr verlangten. Interessanterweise befand sich keine zehn Meter nebenan ein kostenloser Parkplatz, auf dem wir einen Stellplatz fanden. Das hier eingesparte Geld konnte später in Eis reinvestiert werden.

Beim Gang in Richtung Altstadt beeindruckten zunächst die mächtigen Wehrmauern des Castello – ein sicherer Hinweis, dass hier vor Jahrhunderten erbitterte Kämpfe stattgefunden haben mussten.

Sieht nicht nur uneinnehmbar aus, die Burg konnte nach ihrer Errichtung immer erfolgreich verteidigt werden

Vor dem Bau der Burg war die Stadt mehrfach überfallen worden, besonders tragisch verlief der Überfall einer türkischen Übermacht im Jahr 1480. Alle wehrfähigen Männer, die sich weigerten, dem christlichen Glauben abzuschwören, wurden von den Besatzern enthauptet. Die sterblichen Überreste der Ermordeten sind heute noch in einer Kapelle im rechten Seitenschiff der Kathedrale Santa Maria Annunziata zu sehen.

Blick auf die Kathedrale von Otranto
In den drei Glasvitrinen hinter dem Altar sind die Gebeine der ermordeten Bewohner aus dem Jahr 1480 ausgestellt

Die meisten Touristen besuchen die Kirche aber wegen ihres spektakulären Fußbodenmosaiks, das sich über den gesamten Innenraum der Kirche erstreckt und Szenen aus der Bibel ebenso darstellt wie antike Mythen und Fabelwesen. Das Mosaik wurde in nur zwei Jahren Mitte des 12. Jahrhunderts von einem Mönch namens Pantaleon im Auftrag von Bischof Jonathan gefertigt.

Der zentrale Lebensbaum im Innern der Kathedrale – unglaublich, dass das Kunstwerk die Jahrhunderte einigermaßen unbeschadet überlebt hat

Nach der ausführlichen Betrachtung des Mosaiks spazierten wir zur Uferpromenade mit etlichen Bars und Restaurants und nahmen in der Bar Molo Platz. Alex stellte fest, dass man einen Crêpe nicht außerhalb von Frankreich essen sollte – wenn überhaupt, dann zumindest nicht hier. Verarbeiten ließ sich dies nur mit einem starken Espresso, den wir im Anschluss in einer anderen Bar genossen. Gestärkt spazierten wir entlang der Stadtmauer zur kleinen byzantinischen Kirche San Pietro.

Uferpromenade mit einem Denkmal für die 1480 ermordeten Einwohner von Otranto

Angeblich hat an dieser Stelle der Heilige Petrus seine erste Predigt auf europäischem Boden gehalten. Interessant ist auf alle Fälle der Grundriss der Kirche und die gut erhaltenen Fresken im byzantinischen Stil.

Für das Abendessen machten wir auf halbem Weg in Lecce halt. Die Parkplatzsuche um halb acht abends gestaltete sich nicht ganz so einfach, doch schlussendlich fanden wir einen Platz in direkter Nähe zur Porta Rudiae, einem der Eingangstore in die Altstadt. Nach dem Crêpe-Desaster am Nachmittag, hatten wir mit dem Abendessen nicht viel mehr Glück. Bei der Auswahl verließen wir uns nicht auf tripadvisor oder google, sondern einfach nur auf unsere Sinne. Die Befragung von Bewertungsportalen hätte uns vermutlich davon abgehalten, im Restaurant Doppiozero Platz zu nehmen. Äußerlich ganz nett war die Toilette nach Aussage von Alex eine Kloake und die vor Fett triefende Wurst-Käseplatte nebst trockenem Brot vom Vortag wenig empfehlenswert.

Das ist eigentlich eine Portion für eine Person – wer bitteschön kann das alles essen

Retten ließ sich der Abend nur noch mit einem äußerst leckeren Eis aus der Gelateria Natale, wo wir bereits bei unserem ersten Besuch nicht enttäuscht worden waren, sowie zwei musikalischen Live-Darbietungen: Auf der zentralen Piazza Oronzo gab eine Sängerin unter anderem Songs von Adele und den Beatles zum Besten und auf der Piazza del Duomo spielte im Schatten der Straßenlaternen wieder einmal der Pianospieler. Das versöhnte uns wieder ein wenig mit Süditalien – Wurst wird allerdings erstmal aus dem Speiseplan gestrichen.

Dieses Eis lässt einiges vergessen
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Was für ein schöner Ort für ein Klavierkonzert

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