München 31.12. – Vorboten des Frühlings an Silvester

Seit dem allseits bekannten Lied der Spider Murphy Gang Anfang der 1980er Jahre weiss der Jugendliche von damals, wer unter 32 16 8 erreichbar ist und dass in Schwabing die Schickeria zu Hause ist. Der Münchner Stadtteil hat aber noch mehr zu bieten als Kneipen für die “Reichen und Schönen”. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden hier prächtige Wohnhäuser im Jugendstil, die München zu einem der Zentren dieses Architekturstils in Deutschland machten.

Auf unserem Rundgang durch die Straßen Schwabings schlenderten wir eineinhalb Stunden durch das Viertel mit Start an der U-Bahnhaltestelle Münchner Freiheit. Nicht weit davon entfernt steht an der Leopoldstraße 77 das Haus des Architekten Martin Dülfer, dessen Fassade mit Girlanden, Blumen, Laubwerk und roten, grünen und goldenen Ornamenten durchzogen ist.

Los geht’s im Zeichen des Jugendstils

Ein Stück weiter befindet sich in der Ainmillerstraße 22 das wohl berühmteste Gebäude des Münchner Jugendstils, das in den Jahren 1899/1900 errichtet wurde.

Ainmillerstraße 22

Hier noch ein paar weitere Eindrücke unseres Rundgangs durch Schwabing:

Mittendrin entdeckten wir etwas gänzlich anderes, das unsere Aufmerksamkeit erregte: Vor dem Eingang eines Gebäudes der Münchner Rück, der größten Rückversicherungsgesellschaft der Welt, steht der 17 Meter hohe Walking Man des Künstlers Jonathan Borofsky. Ein uns bekanntes anderes Werk des Künstlers mit dem Namen Hammering Man steht in Frankfurt in der Nähe der Festhalle, auch das weit über Kassel hinaus entstandene Kunstwerk Man walking to the sky wurde von ihm entworfen.

Jonathan Borofsky – Walking Man (1995)

Für den Rückweg Richtung Innenstadt wählten wir die Variante zu Fuß, um bei frühlingshaften Temperaturen um die 18 Grad einen Spaziergang durch den Englischen Garten zu machen. Am Chinesischen Turm waren alle Bänke des Biergartens belegt, die Menschen genossen das schöne Wetter und lauschten der Blasmusik, die zur Unterhaltung aufspielte.

O’zapft is

Am südlichen Rand des Englischen Gartens erreichten wir eine weitere Attraktion Münchens: Auf der Eisbachwelle, die weltweit als konstanteste, größte und beste Flusswelle mitten in einer Großstadt gilt, demonstrierten Surfer und Surferinnen, eingepackt in wärmende Neoprenanzüge, ihr Können. Besondere Freude kam bei den Sportlern auf, wenn einer mit einer schnellen Richtungsänderung auf dem Board es schaffte, Wasserspritzer in Richtung der umstehenden Touristen zu schleudern. Die Begeisterung der Nassgewordenen hielt sich dagegen äußerst in Grenzen.

Surfin’ Munich City (und nicht USA, wie von den Beach Boys besungen)

In direkter Nähe zum Odeonsplatz mit Feldherrnhalle und Eingang zur Residenz lag unser letztes Ziel, die Kunsthalle München. Mit JR: Chronicals wurde dort die bisher größte Retrospektive des Streetart-Künstlers und Fotografen JR gezeigt. Die Ausstellung bot einen Überblick der Werke und Projekte des 1983 in Paris geborenen Franzosen. Seine Ursprünge hat der Künstler in der Sprayer-Szene, bis er nach dem Fund eines Fotoapparates auch Fotografien in seine Kunst integrierte.

Knapp 40 Jahre und schon mit einer Retrospektive in der Kunsthalle vertreten

Am beeindruckendsten sind sicherlich seine großformatigen Portraits, auf denen beispielsweise in einer Installation an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze, ein kleines Kind aus Mexiko in Richtung USA blickt.

Was gibt es wohl interessantes hinter dem Grenzzaun zu entdecken?

An anderer Stelle plakatierte er mit Helfern in einem zum Abriss freigegeben Hochhaus die Gesichter von Bewohnern des Viertels an die Wände. Die Portraits wurden erst mit dem fortschreitenden Abriss des Gebäudes sichtbar.

Ein äußerst schnell vergängliches Kunstwerk

Im Jahr 2017 wählte JR seinen Heimatort im Randbezirk von Paris für sein nächstes Kunstprojekt: In “Chroniques de Clichy-Montfermeil” ging es ihm darum, die Bewohner der Stadt in einer von Ihnen selbst gewählten Rolle oder Pose in Szene zu setzen. Ausgestattet mit einem grünen Hintergrund und zwei Scheinwerfern fotografierte er 850 Menschen des Viertels. Ausgedruckt, ausgeschnitten und arrangiert ergibt sich eine beeindruckende Szenerie. Bei der erstmaligen Ausstellung der Fotocollage wurden alle fotografierten Bewohner eingeladen und hatten eine Freude daran, sich in einem Kunstmuseum abgebildet zu sehen.

850 Menschen von der Straße als Basis für beeindruckende Kunstwerk

Im Jahr 2019 wiederholte JR das Projekt in New York, wo er seit 2011 lebt. Einwohner aus allen Vierteln New Yorks wurden fotografiert und es wurde zusätzlich ein Audio-File aufgenommen, bei dem die Menschen ihre Lebensgeschichte erzählen konnten, um mehr über sie und ihren Hintergrund zu erfahren.

New York, wie man es noch nicht gesehen hat

Unter dem Namen Women are Heroes entstand im Jahr 2009 ein Projekt in einem Slum in Kenia, wo sich JR die Satellitenfotografie von google earth zu Nutzen machte. Fotografien von Frauen des Slums wurden vor Ort auf riesige Plastikplanen gedruckt, über den Dächern der Häuser aufgespannt und blickten so den Betrachtern aus dem Weltraum entgegen. Der Titel des Kunstprojekts huldigt die Frauen, die die Stützen der Gemeinschaft in diesem Teil der Welt sind.

Im Café des Restaurants beendeten wir unser Besuchsprogramm und kehrten über den wie immer belebten Marienplatz im Herzen Münchens ins Hotel zurück.

Für das Essen am Silvesterabend hatten wir bereits vor einiger Zeit einen Tisch im Restaurant Royal India reserviert und das war gut so. Das Lokal war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Kellner bemüht, die Abläufe möglichst reibungslos zu gestalten und die Gäste zufriedenzustellen. Bei uns gelang ihnen das definitiv, der Service und die Qualität des Essens war hervorragend.

Zufrieden und müde kehrten wir ins Hotel zurück, sparten uns den mitgebrachten Cidre für einen späteren Zeitpunkt auf und genossen die Betten und Kopfkissen des Motel One. So verschliefen wir zwar den Übergang ins neue Jahr, waren aber am kommenden Morgen früh fit, um die Rückreise antreten zu können.

Wir freuen uns auf viele schöne Reisen und neue Eindrücke im Jahr 2023 und werden darüber an dieser Stelle berichten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert