[Hinweis: Auf dieser Tour ist Jochen alleine ohne Alex unterwegs]
Im Vorfeld der heutigen Tour nagte die Skepsis an mir: Würde mich der Aufstieg von Grindelwald (937 m) hinauf zur Kleinen Scheidegg (2.061 m) überfordern? Nach der ersten Wanderung am Montag zur Lobhornhütte hätte ich es mir niemals zugetraut. Doch die letzten Tage – und besonders gestern – fühlte ich mich deutlich fitter. Also fassten wir nach dem Frühstück Mut und nahmen den Aufstieg in Angriff.

Da wir heute auf der Kleinen Scheidegg übernachten und erst morgen wieder nach Grindelwald absteigen würden, packten wir nur das Nötigste zusammen. Von der Jungfrau Lodge ging es zunächst hinab nach Grindelwald Grund, dem Ausgangspunkt der Zahnradbahn hinauf zur Kleinen Scheidegg, die diese Strecke in beeindruckenden 24 Minuten schafft. Wir waren zu Fuß natürlich nicht ganz so flott unterwegs – zumal wir nach der Hälfte des Anstiegs eine wohlverdiente Erfrischung im Berghaus Alpiglen auf 1.616 m einlegen mussten. Aber Zeitdruck hatten wir heute keinen, und so genossen wir jeden Höhenmeter in unserem eigenen Tempo.


Auf der Kleinen Scheidegg angekommen, konnten wir sofort unsere Einzelzimmer über dem Restaurant Kleine Scheidegg beziehen. Die Zimmer waren klein, Dusche und Toilette befanden sich auf dem Flur – aber alles war sauber, das Bett bequem und für eine Nacht in dieser spektakulären Höhe völlig ausreichend.
Von hier aus starten normalerweise die Zahnradbahnen zum höchsten Bahnhof Europas auf dem Jungfraujoch. Wir spazierten stattdessen zur kleinen Chaletbar, wo die Gäste auf der sonnigen Terrasse die Bergluft genossen, und ließen uns unser wohlverdientes, verspätetes Mittagessen schmecken.
Gestärkt entschieden wir uns für einen Abstecher zum Bahnhof Eigergletscher, direkt am Fuß der legendären Eiger-Nordwand. Diese Station auf 2.320 m Höhe ist normalerweise in nur 15 Minuten mit der Eiger Express Seilbahn vom Grindelwald Terminal erreichbar. Von dort aus können Reisende nach dem Umstieg in die Zahnradbahn das Jungfraujoch von Grindelwald aus in unter einer Stunde erreichen – oder sich im Winter auf den Skipisten ins Tal stürzen.

Die Infotafel zeigt die unterschiedlichen Routen, auf denen sie bezwungen wurde
Wir näherten uns über steile Pfade zu Fuß dem gewaltigen Bergmassiv. Unterwegs passierten wir den Fallbodensee, in dem sich saftige Weiden, schroffe Berghänge und weiße Wolken wie in einem Gemälde spiegelten. An der Station Eigergletscher angekommen, war es schlichtweg beeindruckend, welche Infrastruktur die Schweizer hier auf über 2.300 m Höhe erschaffen haben.
Hier oben, ganz nah an den imposanten Felswänden von Eiger, Mönch und Jungfrau, genossen wir den Blick zurück zur Kleinen Scheidegg mit dem Lauberhorn – dem berühmten Startort des spektakulären Skirennens im Winter – und dem Tschuggen dahinter. Entlang dieser Hänge sollte uns unser Weg morgen zur Bergstation des Männlichen führen.
Zurück im Tal hatten wir uns die Dusche redlich verdient, während draußen ein heftiger Gewitterregen mit Hagel niederging. In kürzester Zeit verwandelten sich die Hänge und Weiden in ein Netz aus kleinen, wild rauschenden Bächen.
Während vor unserer Unterkunft die letzten Tagesgäste ihre Fahrt mit der Zahnradbahn ins Tal antraten, fanden wir uns kurz nach 18 Uhr im Restaurant zum Abendessen ein. Es gab Gulasch mit Kartoffeln – sicherlich nicht das kulinarische Highlight unseres Aufenthalts, aber im Übernachtungspreis von 125 CHF enthalten. Also: nicht meckern!
Als wir vor das Restaurant traten, sahen wir einen Trupp Arbeiter, der damit begonnen hatte, an den Gleisen zu arbeiten. Der Starkregen hatte Schotter in die Weiche gespült, die nun nicht mehr funktionsfähig war. Die letzten Züge vom Jungfraujoch saßen fest! Nach einer guten halben Stunde war die Weiche wieder repariert, und der Zugverkehr konnte weitergehen.

Ich spazierte noch ein Stück in Richtung Eiger-Nordwand, um sie im warmen Licht der untergehenden Sonne zu fotografieren und den Moment festzuhalten. Dann kehrte ich ins Hotel zurück und sank müde, aber rundum zufrieden auf mein Bett.
Morgen wird uns ein neues Abenteuer erwarten und ich nehme sicherlich nicht allzu viel vorweg, wenn ich sage, dass es nach dem Aufstieg heute, wieder zurück ins Tal nach Grindelwald geht.