[Hinweis: Auf dieser Tour ist Jochen alleine ohne Alex unterwegs]
Nach dem gestrigen Aufstieg von Grindelwald zur Kleinen Scheidegg wartete heute eine ganz andere Herausforderung auf uns: der Abstieg. Gestärkt durch ein üppiges Frühstück machten wir uns auf den ursprünglich geplanten Weg – über das leicht ansteigende Terrain zur Bergstation Männlichen und von dort hinunter nach Grindelwald. Ein spontaner Abstecher sollte unsere Route ein bisschen interessanter machen.
Unweit der Kleinen Scheidegg steht das Starthaus der legendären Lauberhornabfahrt. Diese mit knapp 4.500 Metern längste Abfahrt des Alpinen Skiweltcups schlängelt sich seit 1930 über mehr als 1.000 Höhenmeter ins Tal Richtung Wengen hinab. Auf unseren rund 250 Höhenmetern bergauf über Almwiesen vorbei an Kühe, die sich perfekt vor der imposanten Bergkulisse positioniert hatten, begegneten wir keinem einzigen anderen Wanderer.

Kaum vorstellbar, dass während der Skirennen im Winter der gesamte Skizirkus hier heraufpilgert. Vom Starthaus aus eröffnete sich uns ein atemberaubender Blick hinunter ins Tal Richtung Lauterbrunnen und Wengen. Auf der gegenüberliegenden Talseite thront das Dorf Mürren malerisch oberhalb eines Felsabhangs.


Über einen schmalen Pfad erreichten wir den breiten Verbindungsweg zwischen Kleiner Scheidegg und Männlichen. Wenig verwunderlich, dass der Großteil der Wanderer in unsere Richtung lief – schließlich liegt die Bergstation der Seilbahn Männlichen rund 200 Höhenmeter über der Kleinen Scheidegg. An der Bergstation angekommen, liefen die Vorbereitungen für eine Hochzeitsfeier im Freien.
Draußen war es ziemlich frisch, eine große graue Wolke wollte sich einfach nicht von ihrem Platz vor der Sonne verabschieden, und wir hofften für das Brautpaar, dass sich diese für die Dauer der Trauung verziehen würden. Während für Hochzeitspaar und Gäste rustikale Strohballen als Sitzgelegenheiten auf der Wiese ausgelegt waren, präsentierte sich das Bergrestaurant deutlich stilvoller dekoriert und eingedeckt.

Nach einer kleinen Erfrischung und ein paar Fotos nahmen wir den Abstieg nach Grindelwald in Angriff. Bis zur Mittelstation der Männlichen-Bahn sorgten kleine Erlebnisstationen für Abwechslung – zumindest für die jüngeren Wanderer. Für uns bestand die größte Herausforderung darin, unseren Weg durch die grasenden Kühe fortzusetzen.

Bergwandern macht es einem nicht leicht: Bergauf ist anstrengend und schweißtreibend – aber bergab ist nicht minder fordernd für Knie und Oberschenkel und als wir bereits gut 1.000 Höhenmeter in den Beinen hatten, hielten wir Ausschau nach einer Rastmöglichkeit. Mein Freund erinnerte sich vom Skifahren im Winter an zwei Hütten zur Einkehr unterwegs. Dummerweise haben diese nur zur Wintersaison für die Abfahrer geöffnet und wir mussten unverrichteter Dinge unseren Fußweg fortsetzen. Nach über 1.400 Höhenmetern bergab hatten wir genug und peilten die nächsten Bushaltestelle an.
Das Alpin Lifestyle Hotel Aspen kam uns zum Abschluss unserer Tour wie gerufen. Die Bushaltestelle lag praktischerweise direkt vor der Haustür, und auf der Terrasse waren zwei Plätze frei – wie für uns gemacht! Obwohl es bereits früher Nachmittag und damit eigentlich Zeit für Kaffee und Kuchen war, entschieden wir uns stattdessen für einen hervorragenden Burger.
Zurück in Grindelwald nutzten wir die verbleibende Zeit für einen kurzen Ausflug zum Freibad. Die Strapazen des Tages abzuwaschen und ein bisschen zu entspannen – genau das Richtige nach der langen Wanderung. Der laut Wettervorhersage angedrohte Regenschauer blieb zunächst aus, so dass wir trockenen Fußes zurück zum Hotel marschieren konnten. Zum Abendessen gab es dann nur noch kalte Küche: Brot, Schinken und Käse aus dem Supermarkt.

Kaum im Hotel angekommen, zog sich der Himmel dann doch noch zu. Als er seine Schleusen öffnete, prasselte der Regen so heftig herab, dass man vom Balkon aus keine 100 Meter Sicht hatte. Wir möchten besser nicht wissen, ob der Arbeitertrupp auf der Kleinen Scheidegg so wie gestern wieder ausrücken musste, um die Weiche von angeschwemmten Schotter zu befreien.
Nachdem sich das Wetter beruhigt hatte, wartete noch eine letzte Herausforderung des Tages: Zugang zum Supercup-Spiel des VfB Stuttgart gegen den FC Bayern München zu bekommen. Da der übertragende Sender SAT1 im Hotelfernsehen nicht verfügbar war, mussten wir improvisieren und das Spiel auf dem Laptop verfolgen. Gegen Ende forderte die anstrengende Tour allerdings ihren Tribut – es wurde immer schwerer, die Augen offen zu halten.
Am nächsten Morgen, dem Tag unserer Rückreise nach Deutschland, entschieden wir uns – entgegen des ursprünglichen Plans – keine weitere Wanderung in Angriff nehmen, sondern lediglich einen Stopp in Thun am Ufer des gleichnamigen Sees einlegen, um die Altstadt zu erkunden und dann den Weg nach Hause fortzusetzen.
Die Aare, die wie in Interlaken die Stadt durchfließt, wird an Schleusen gestaut und bildet dahinter eine permanente stehende Welle. Ähnlich der Welle am Eisbach in München übten sich Surfer am frühen Sonntag Morgen hinter der Oberen Schleuse daran, ihre Fähigkeiten auf dem Wasser zu verbessern. Mit einem Seil zogen sie sich in die Mitte des Flusses und konnten nach dem Loslassen wenige Augenblicke frei auf der Welle surfen.
Von der Aare spazierten wir hinauf zur Stadtkirche und zum Schloss, dessen Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Über die Aare-Insel zurück in Richtung Bahnhof legten wir mit Blick auf die Mühleschleuse eine letzte kleine Pause ein, um auch dort den Surfern bei ihrem Frühsport zuzuschauen.
Damit endet der sechstägige Aufenthalt im Berner Oberland. Es war sehr abwechslungsreich, das Wetter spielte perfekt mit, die Wanderungen boten fantastische Ausblicke auf die Bergwelt – ein rundum gelungener Wanderurlaub.