Stockholm (Schweden) 01.04. – Nobel Nobel

Nach drei sonnigen Tagen waren wir heute durch die Wettervorhersage schon darauf vorbereitet, einen eher wolkenverhangenen Himmel über der Stadt zu sehen. Dementsprechend hatten wir uns für heute Ziele mit Dach über dem Kopf ausgesucht.

Als erstes stand die Besichtigung des Rathauses auf dem Plan, die ausschließlich innerhalb einer 45-minütigen Führung möglich ist. Wir waren kurz nach 10 Uhr vor Ort und konnten überraschenderweise an der Führung um 10:30 Uhr teilnehmen – die erste Hürde war also genommen. Unser Guide Johannes begrüßte uns und die etwa fünfzig weiteren Teilnehmer eine halbe Stunde später in perfektem Englisch.
Erster Stopp war im großen Innenhof des Gebäudes, genannt die Blaue Halle.

Die so ganz und gar nicht Blaue Halle

Wer auf dem Foto jetzt kein Blau findet, erkennt alle Farben korrekt: Dem Architekten Ragnar Östberg gefielen die roten Backsteine so gut, dass er darauf verzichtete, sie blau zu verkleiden. Allerdings waren ihm die industriell gefertigten Ziegel zu glatt und so beauftragte er die Handwerker, sie mit Hammer und Meißel zu beschlagen, um sie alt aussehen zu lassen. Zudem war die Halle, deren Arkadengänge an den Markusplatz in Venedig angelehnt sind, eigentlich nach oben offen vorgesehen. In diesem Raum findet jedes Jahr am 10. Dezember anlässlich der Verleihung der Nobelpreises das Festbankett mit 1300 geladenen Gästen statt. Durch das Einziehen der Decke damals kann man heute Gott sei Dank darauf verzichten, eine Vielzahl von Heizpilzen aufzustellen.

Im Beratungssaal tagt das Stadtparlament alle drei Wochen, die 101 Mitglieder setzen sich aus 50 Männern und 51 Frauen zusammen. Während man in Deutschland also noch über eine Quote diskutiert, wurde es in Schweden schon umgesetzt.

Beratungssaal mit bemaltem Dachstuhl

In der Galerie des Prinzen werden Ehrengäste empfangen, die Fenster an der Südseite bieten einen herrlichen Blick auf Södermalm. Gegenüber sind Fresken von Prinz Eugen zu sehen, um den Gästen, die mit dem Rücken zum Fenster sitzen, ebenfalls einen schönen Ausblick auf Stockholm zu ermöglichen.

Galerie des Prinzen
Fresken von Prinz Eugen

Im Goldenen Saal, in dem zu Beginn das Festbankett ausgerichtet wurde, zieren mehr als 18 Millionen Mosaiksteinchen, die aus Blattgold zwischen zwei Glasplättchen bestehen, die Wände. Die dominierende Farbe Gold erinnert an Darstellungen aus byzantinischen Kirchen, die Abbildungen hier jedoch zeigen auf der Stirnseite die Königin des Mälarsees; in den Seitennischen finden sich Bildnisse schwedischer Könige bzw. Forscher und Künstler.

Der Goldene Saal
Die Königin des Mälarsees – links flankiert von Symbolen der westlichen Welt, rechts von Darstellungen der fernöstlichen Welt
Schwedische Könige

Danach noch schnell in den Museumsshop und ein Dalapferd als Souvenir erworben. Natürlich sind diese kleinen Holzpferde von schwedischen Bauern in monatelanger Arbeit während des dunklen und langen Winters handgeschnitzt worden – was soll man auch sonst machen?

Als nächstes lagen zwei Kirchen auf unserem Weg, wobei wir natürlich den Weg extra so gewählt haben, dass wir sie besichtigen konnten. Wer nicht an Kirchenkunst und Geschichten darüber interessiert ist, einfach nach unten scrollen, es gibt auch noch einen Beitrag über das Moderne Museum. Wer daran auch nicht interessiert ist, für den endet der Beitrag hier.

Die erste Kirche hatten wir schon am ersten Tag auf der Insel Riddarholmen von außen gesehen: Riddarholmskyrkan.

Riddarholmskyrkan von außen

Die Kirche diente von 1290 bis 1950 als Begräbnisstätte der schwedischen Königsfamilie und war Teil eines Franziskanerklosters, das 1270 unter dem damaligen schwedischen König Magnus I. errichtet und im 17. Jahrhundert abgerissen wurde. Magnus I. fand als Erster im Chor der Kirche seine letzte Ruhestätte.

Riddarholmskyrkan von innen
Zwei schwedische Könige: Magnus I. (links) und Karl VIII. (rechts)

Die Riddarholmskyrkan ist außerdem die Kirche des Königlichen Seraphinenordens, des Haus- und höchsten Verdienstordens des Königreichs Schweden: Bis 1820 begrub man dort alle in Stockholm verstorbenen Ritter.

Der Orden wurde bis zur Abschaffung 1975 an männliche inländische Würdenträger verliehen, seit 1995 wird für Mitglieder des Königshauses eine Ausnahme gemacht.
Aber auch ausländischen männlichen Staatsoberhäuptern oder Kronprinzen wurde der Orden verliehen, darunter Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Francois Mitterrand oder Nelson Mandela.

Ausländische Ritter des Königlichen Seraphinenordens

Nach kurzer Pause im Café mit erneutem Kanelbullar-Test besuchten wir die Kirche der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Stockholm Tyska Kyrkan, die der Heiligen Gertrud von Nivelles geweiht ist. Die Kirche entwickelte sich aus dem St. Gertruds-Gildenhaus deutscher Kaufleute, denen König Johann III. 1571 das Recht erteilte, eine eigene Kirchengemeinde zu gründen. Noch heute werden hier Messen auf Deutsch gehalten, schon das Tor zum Kirchenvorplatz trägt die deutsche Inschrift “Fürchtet Gott! Ehret den König!”

Eingangsportal mit Mondsichelmadonna
Der 1881 von Julius Carl Raschdorff nach einem Brand neu erbaute 96m hohe Turm ist der höchste Punkt in Gamla Stan

Der Innenraum der Kirche ist durch barocken Schmuck geprägt. Anscheinend kam auch ab und zu der König zur Messe vorbei – falls nicht, war man zumindest mit der bereitstehenden Königsloge bestens vorbereitet.

Düben-Orgel (2004), eine Rekonstruktion der ersten Orgel der Deutschen Kirche aus dem 17. Jahrhundert

Nach so viel klassischen Dingen jetzt zu etwas Modernem: Das Museum für Moderne Kunst auf der Insel Skeppsholmen, die man über die Brücke mit den beiden goldenen Kronen erreicht, präsentiert schwedische und internationale sowie moderne als auch zeitgenössische Kunst, und das auch noch kostenlos. Schon vor dem Museum steht ein Werk von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle, deren Skulpturen man unter anderem auch in Paris am Strawinski-Brunnen bewundern kann.

Eine der beiden Kronen auf der Skeppsholmsbron
Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely – Le Paradis fantastique (1966)
Modernes Museum
Yves Klein – Relief éponge / Bleu RE 17 (1960)
Henri Matisse – Apollon (1953)
René Magritte – Le Modèle rouge (1935)
Andy Warhol – Dance Diagram (“The Lindy Tuck-in Turn-Woman”) (1961)

Jochen fand heute irgendwie keinen richtigen Zugang zur Modernen Kunst, insbesondere mit den Objekten von Marcel Duchamp konnte er nichts anfangen – lag bestimmt an der fehlenden Erläuterung.

Replik von Marcel Duchamps “Roue de bicyclette (1913)

Also produzierte er danach im Museumscafé sein eigenes Kunstwerk, das mit Sicherheit ein Riesenecho in der Kunstwelt hervorrufen wird.

Jochen K. – Doppelter Espresso im Quadrat (2018)

Für den Rückweg in die Altstadt hatte Alex die wunderbare Idee, eine der Fähren zu nutzen, die als Wassertaxen zwischen den einzelnen Inseln verkehren und in den öffentlichen Naherverkehr integriert sind. Da wir noch Guthaben für zwei Einzelfahrten auf unserer SL Access Card hatten, warteten wir knapp 10 Minuten und durften dann die Djurgården-Fähre besteigen. Aber auch hier wollte der Automat zuvor die Karte nicht für uns beide akzeptieren und buchte nur eine Fahrt ab, der nette Fährmann winkte uns jedoch bei der Scan-Kontrolle direkt durch.

Von Skeppsholmen zum Slussen, im Hintergrund der Vergnügungspark Gröna Lund auf Djurgården

Für das letzte Abendessen in Stockholm hatten wir nochmal einen Italiener ausgesucht: das Restaurant Rodolfino. Die servierten Nudeln waren gut, doch leider gibt es davon keine fotografischen Belege – der Fotograf scheint bei der Anlieferung der Speisen so hungrig gewesen zu sein, dass er das Dokumentieren vergessen hat.

Da Jochen unbedingt noch ein paar Fotos vom nächtlichen Stockholm machen wollte, es aber noch nicht dunkel genug war, legten wir einen Zwischenstopp im Wirstroms Pub ein. Nachdem Jochen dem Barkeeper mühsam den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen “zwei Half-Pint-Cidern” und “einem Pint-Cider” erklärt hatte (wir wollten beide nur einen kleinen Cider), genossen wir unseren Absacker.

Auf dem Weg durch das frostige und dunkle Stockholm kamen wir nochmal am Schloss und dem zentralen Verkehrsknotenpunkt Sergels Torg vorbei, der aktuell jedoch mehr einer Baustelle gleicht.

Fast alles dunkel bei Königs
Nur die Glassäule “Kristallvertikalaccent” beleuchtet den Sergels torg abends

Wir nahmen Abschied von Stockholm und hofften auf strahlenden Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen zuhause bei der Rückkehr morgen.

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