Fährt man von Moltifao nach Süden ins Landesinnere, liegt rechterhand das Tal des Golo, das die Zufahrt zur Niolo-Hochebene bildet. Lange Zeit waren die Dörfer, allesamt auf einer Höhe über 800m, von der Außenwelt abgeschnitten und nur über schmale Fußwege zu erreichen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Zufahrtsstraße errichtet.
Oberhalb von Castirla beginnt der spektakulärste Teil der Fahrt durch die Schlucht, die sogenannte Scala di Santa Regina: Von hier aus schlängelt sich die schmale Straße am Felsen entlang über dem Tal des Golo, der unten vor sich hinplätschert. Baden ist in den Felsgumpen jedoch strengstens verboten, denn oberhalb der Scala endet die Schlucht am Stausee von Corscia, der den Wasserdurchfluss im Tal reguliert.
An einer kleinen Quelle mit Parkbucht, in der nicht mehr als drei Autos Platz haben – Jochen konnte sich zum Glück einen der Plätze sichern – startet ein spektakulärer und sehr gut ausgebauter Wanderweg über die alten Hirtenwege immer oberhalb der Fahrstraße und mit Blick ins Tal.
Der Weg schlängelt sich teilweise in Serpentinen über felsigen Untergrund durch würzig duftende Macchia und weitgehend ohne schattenspendende Bäume. Unterwegs flüchteten sich unzählige Eidechsen vor den Menschen nach rechts und links in Sicherheit, doch die Zahl der Wanderer war heute an zwei Händen abzuzählen.
Jochen überquerte einen kleinen Bachlauf und kam schließlich zu einer alten Genueserbrücke, in dem ein Zufluss des Golo in die Tiefe stürzt. Von hier aus könnte man die Wanderung bis nach Corscia fortsetzen oder über einen kurzen Abstieg hinunter zur Fahrstraße und über die Straße zurück zum Parkplatz gehen. Jochen entschied sich für Letzteres, die 250 Höhenmeter Aufstieg waren anstrengend genug gewesen.
Auf den Verkehrsschildern, die meistens zweisprachig verfasst sind – Französisch und Korsisch – ist die Ablehnung der Korsen gegenüber den Frranzosen deutlich zu erkennen: der französische Teil ist oft mit schwarzer Farbe übersprüht. Zudem scheinen die Korsen entweder einen ausgeprägten Hang zu Schusswaffen zu haben oder das Durchlöchern von Verkehrsschildern gehört hier zum Volkssport.
Auf dem Rückweg kurz vor Moltifao kreuzte eine Herde Schafe die Straße. Die Nachzügler gerieten leicht in Panik, um nicht den Anschluss zu verlieren, doch nach einer Weile hatten alle Schafe die Überquerung der Straße geschafft und konnten sich dem Grasen auf der anderen Straßenseite widmen – schließlich ist das Gras auf der anderen Seite immer grüner.
Zuhause angekommen hatte Alex ihr letztes Buch durchgelesen und schon mit dem ersten Hörbuch angefangen. Nun war es Zeit für das Abendessen, wir wollten mal wieder was kochen, es gab Kartoffelauflauf – lecker!