Mit gutem Weitblick und Zoomobjektiv konnten wir heute Morgen den oder die Verursacher für die wiederkehrenden, klagenden Rufe in Erfahrung bringen – was den Esel allerdings zu seinen lautstarken Bekundungen veranlasset, oder ob er uns einfach nur mitteilen wollte, dass er noch da war, wissen wir nicht.
Ein weiterer, ganz stiller Gast kletterte akrobatisch am Poolrand entlang, die kleinen Saugnäpfe an den Füßen outeten ihr eindeutig als Gecko. Kurz nach der Aufnahme verkroch er sich wieder unter den Planken unserer Terrasse – wir mochten gar nicht wissen, wer und was sich dort unten alles so rumtrieb. Stephen King-Romane regen ja die Phantasie an – nicht immer von Vorteil für den Leser.
Gegen Mittag überließen wir die tierischen Bewohner rund um unser Ferienhaus sich selbst und fuhren – zunächst die Küste entlang, danach Richung Landesinnere – nach Sartène.
Erster Halt war der Ausblick auf den Löwenfelsen von Roccapina: Unterhalb liegt eine Bucht mit weißem Sand und türkisfarbenem Meer, darüber steht auf dem Felsrücken ein – wie könnte es anders sein – Genueserturm sowie die Felsformation in Form eines ruhenden Löwen. Jochen brauchte ein bisschen, um den Löwen zu erkennen, aber mit Alex’ Hilfe wurde er doch noch fündig.
Danach schlängelte sich die – gut ausgebaute – T40 ins Landesinnere und nach einer halben Stunde hielten wir kurz vor Sartène zum ersten Fotostopp am Friedhof mit Blick auf die Stadt.
Laut Reisebericht des französischen Schriftstellers Prosper Mérimée ist Sartène “die korsischste unter den korsischen Städten“, die Interpretation dieses Satzes bleibt dem Besucher überlassen. Unverputzte Granithäuser, schmale verwinkelte Gassen, die Place Porta mit dem Rathaus der Stadt, der Kirche Sainte-Marie Assunta aus dem 17. Jahrhundert und ein paar Cafés, in denen man sich ein kühles Getränk oder ein Eis genehmigen kann – das werden wir jedenfalls von Sartène als Erinnerung mitnehmen – und ein Paar Espressotassen, die wir in einem der Souvenirläden nach längerem Überlegen bezüglich des Motivs erstanden.
Vorher warfen wir noch einen Blick in die Kirche Sainte-Marie, die den Ausgangspunkt für die sogenannte “Catenacciu-Prozession” an Karfreitag bildet: barfüßig und in ein rotes Gewand mit Kapuze gehüllt, schleppt ein nur dem Priester namentlich bekannter Büßer das in der Kirche ausgestellte 31 kg schwere Holzkreuz mit einer 14 kg schweren Eisenkugel als Fußfessel durch die Straßen, in der Hoffnung, Vergebung für eine schwere Schuld zu erlangen.
Im 18. und 19. Jahrhundert regelten verfeindete Familien mittels Vendetta ihre Streitigkeiten. In Sainte-Marie Assunta wurden mehrfach Friedensabkommen geschlossen, um die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Sartène zu beenden.
Als Lokal für ein kühles Getränk wählten wir das Café Au Bien Assis – was übersetzt so viel heißt wie “wo man gerne sitzt” – sehr einfallsreicher Name, aber passend.
Frisch gestärkt fuhren wir noch ein paar Kilometer weiter nach Norden ins Tal des kleinen Flusses Rizzanese: Hier liegt eines der Weingüter, die uns der Besitzer unserer Unterkunft in Moltifao empfohlen hatte, die Domaine Fiumicicoli. Nach der Verkostung zweier Rotweine, einer davon im Barrique ausgebaut, entschieden wir, dass korsische Rotweine nicht unserem Geschmack entsprechen und wir für das Rotwein-Tasting besser nach Apulien fahren sollten.
In der Nähe der Domaine steht die alte und zwischenzeitlich renovierte Genueserbrücke mit dem schönen Namen Spin’a Cavallu, übersetzt Pferderücken. Einige Leute interessierten sich weniger für die Brücke und nahmen stattdessen in der Nähe ein Sonnenbad oder eine kleine Abkühlung im Fluss. Bei den Temperaturen um die 30 Grad keine ganz schlechte Idee.
Das letzte Ziel des Tages erforderte wieder eine etwas aufwendigere Anfahrt: über Sartène ging es Richtung Küste auf immer schlechter ausgebauten Straßen zum Hochplateau von Cauria. Die Straße endete mit einem Parkplatz, die restliche Strecke musste zu Fuß zurückgelegt werden. Alex blieb wegen unpassendem Schuhwerk und den zu erwartenden Sehenswürdigkeitden am Auto im Schatten zurück, Jochen stürzte sich ins Abenteuer: Bereits im Norden der Insel hatten wir Megalithen gesehen, hier befanden sich drei große Fundstätten auf einmal, die man auf einem gut 45minütigen Rundweg erlaufen konnte.
An der ersten Fundstelle Alignement de Stantari stehen die Menhire in zwei parallelen Reihen, angeblich erkennt man auf zwei Steinen auch menschliche Gesichtszüge – wer aber den Löwen von Roccapina nicht sieht, findet hier auch keine Gesichter.
Am Alignement de Renaggiu stehen und liegen die Menhire in einem schattigen Eichenwäldchen vor einer schönen Felskulisse.
An der dritten und letzten Stelle steht der Dolmen von Fontanaccia. Ein ähnliches Bauwerk, das als Grabraum angelegt und – weitaus praktischer – von den Bauern der Umgebung als Unterstand bei Gewittern genutzt wurde, hatten wir bereits bei unserer Irland-Rundreise am Burren gesehen.
Steine in unterschiedlicher Ausprägung hatten wir damit für heute genug gesehen. Auf dem Rückweg hielten wir beim Eintritt in die Region Sud-Corse kurz für ein Foto der schönen Küste, von wo man bereits schemenhaft den Norden Sardiniens sehen kann.
Danach besorgten uns im Supermarkt Baguette, Salat und mexikanische Grillspieße, die wir auf dem bei der Unterkunft bereitstehenden (Weber-)Gasgrill zubereiteten – im Vergleich zur Holzkohle-Variante im Norden ein deutlich einfacheres Unterfangen.
Nicht zu vergessen: bester Cidre bisher ist der Cidre Artisanal.