Locarno 08.06. Ausflüge nach Bellinzona, ins Verzasca-Tal und zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso

Der Regen der letzten beiden Tage hatte sich verzogen, aber noch hingen die die Wolken tief in den Hängen der umliegenden Berge. Den eigentlichen Plan, nach oben zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso und eventuell mit der Seilbahn weiter bis auf 1.340 m zu fahren, verschoben wir auf später und nahmen uns Bellinzona als erstes Ziel vor.
Die Stadt war in der Vergangenheit aufgrund ihrer Lage als Schlüssel zu den Pässen St. Gotthard, Lukmanier und San Bernardino von großer strategischer Bedeutung. Als Bollwerk gegen Eindringlinge von Norden errichteten die Herzöge von Mailand die Burgen Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro, die zusammen mit der Murata als “Festung von Bellinzona” heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören.

Für den Besuch aller drei Burgen, für die es ein ermäßigtes Gruppenticket gibt, sind wir zu wenig Burgenfans, aber eine wollten wir uns genauer anschauen: das Castello di Montebello. Die heutige Form einer verschobenen Raute erhielt die Burg Ende des 15. Jahrhunderts. Die drei mächtigen Burgen hinderten Ludwig XII. von Frankreich 1499 allerdings nicht daran, mit seinen Truppen Bellinzona anzugreifen und einzunehmen. Der König hielt sich nicht an die Vereinbarung, Bellinzona als Gegenleistung für die Dienste Schweizer Söldner im französischen Heer abzutreten, was dazu führte, dass die verhassten Franzosen von der Eidgenossenschaft ohne Blutvergießen vertrieben wurden.

Blick auf die mächtigen zinnenbewährten Mauern des Castello di Montebello

Vom Castello di Castello di Montebello öffnet sich der Blick ins Tal Richtung Lago Maggiore ebenso wie auf den Burghügel gegenüber, den das mächtige Castelgrande einnimmt.

Auf dem Burghügel gegenüber erstreckt sich Castelgrande und unten im Tal die Altstadt von Bellinzona
Blick vom Castello di Montebello in Richtung Lago Maggiore
Die Eidechsen auf den Mauern der Burg haben weniger für den schönen Rundumblick übrig, genießen aber die durch die Sonne aufgewärmten Steine
Der Blick von weiter oben auf Castello di Montebello links, den Burgberg mit Castelgrande rechts und ein mit Solarzellen vollgestopftes Dach im Vordergrund

Dazwischen – von oben kaum zu sehen – liegt tief unten die Altstadt von Bellinzona, für uns die Gelegenheit, ein wenig durch die Gassen zu schlendern und zu frühstücken. Der ehemalige Reichtum der Stadt als Kreuzungspunkt wichtiger Handelsstraßen von Nord nach Süd zeigt sich in der Fassade erhaltener Altstadthäuser und der Stiftskirche St. Pietro e Stefano.

Rathaus von Bellinzona am Kreuzungspunkt uralter Handelsstraßen
Altstadtplatz in Bellinzona mit der Stiftskirche St. Pietro e Stefano
Blick auf die üppige barocke Ausstattung der Stiftskirche
Kanzel aus poliertem farbigem Gips (Nachahmung kostbaren Marmors) aus dem Jahr 1784

Ein weiteres beachtliches Monument menschlicher Ingenieurkunst nur deutlich jüngeren Datums erwartete uns am Ausgang des Verzascatals am Lago di Vogorno. Seit 1965 steht hier die vierthöchste Staumauer der Schweiz mit 220 Metern. Berühmtheit erlangte die Staumauer, als sich James Bond im Dienste seiner Majestät im Film James Bond 007 – GoldenEye an einem Gummiband in die Tiefe stürzte.

Den Sprung kann nur James Bond überleben, oder?

Wer möchte, keine Höhenangst hat und mutig genug ist, kann den Sprung auf der höchsten stationären Bungee-Anlage der Welt nachstellen. Jochen wagte es leider nicht einmal, gleich neben der Bungee-Anlage einen Blick nach unten zu werfen bzw. sich dafür über das Geländer zu lehnen.

Für 5 CHF kann man den Skywalk begehen – die kleine Plattform oberhalb des mutigen Bungee-Jumpers, der gerade am Absprung steht
Blick ins Tal der Verzasca, die sich tief eingegraben hat auf ihren letzten Kilometern bis zum Lago Maggiore

Der Verzasca-Damm, der das Wasser auf einer Länge von 5,5 km das Tal entlang aufstaut, begleitete uns noch ein Stück das Tal hinauf, wo wir kurz darauf die mittelalterliche Fußgängerbrücke Ponte dei Salti aus dem 17. Jahrhundert erreichten. Schon von weitem war der Andrang der Touristen zu sehen, und wir hatten Glück, dass wir einen der wenigen Parkplätze ergattern konnten. Apropos Parkplätze: im Tal waren alle gebührenpflichtig, konnten allerdings mit der easypark-App bezahlt werden – was aber auch bedeutet, dass das Mobilfunknetz selbst am entlegensten Parkplatz ausgebaut ist.

Wie viele Touristen gleichzeitig hält die Brücke wohl aus?

Unterhalb der Brücke hatten es sich Heerscharen von jungen Leuten auf den blankpolierten Felsen gemütlich gemacht (sofern das mit einem Handtuch möglich ist), genossen die Sonne und präsentierten ihren oftmals makellosen und vom Fitnessstudio gestählten Körper. Einige wenige, die bestimmt die Warnhinweise zum Baden im kalten Wasser gelesen hatten, sprangen vom Ufer oder sogar von einem der beiden Brückenbögen in die eisigen Fluten. Als wir vor Ort waren, passierten keine Unfälle, man kann sich aber vorstellen, dass der Krankenwagen desöfteren im Jahr ausrücken muss. Auch wenn die Besuchermassen ein wenig das Naturerlebnis störten, gehörten wir ebenso zu denjenigen, die sich die schöne Location und ein paar eindrucksvolle Fotos nicht entgehen lassen wollten.

Badende im kalten Wasser der Verzasca nahe dem Dorf Lavertezzo
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land?
Lässt man die anderen Touristen hinter sich,
gelingt ein fast idyllisches Foto von der Brücke
Sieht man nicht nur gut aus, sondern ist man auch noch mutig und springt von der Brücke, sind die Mädels sicher ordentlich beeindruckt

Vom Verzasca Tal fuhren wir zurück zum Hotel in Locarno, parkten unseren Wagen und spazierten zu Fuß zur nahegelegenen Talstation der Standseilbahn hinauf zur Wallfahrtskirche Madonnna del Sasso. Auf nur 811m Länge überwindet die im Jahr 1906 eröffnete Bahn eine Höhendifferenz von 173 Höhenmetern, einen Tunnel und ein Viadukt mit elf Bögen.

Los geht’s im Viertelstundentakt auf der kurzen aber steilen Strecke

Die Strecke lässt sich auch zu Fuß entlang eines Kreuzwegs der mit zwölf Kapellen, die den Leidensweg Jesu darstellen, hinaufwandern – die Bahnfahrt war uns jedoch deutlich lieber. Oben in Orsolina angekommen, hat man einen unbeschreiblichen Blick über das am Seeufer liegende Locarno und weite Teile des Lago Maggiore.

Blick hinab auf Madonna del Sasso

Der Wallfahrtsort geht auf den Franziskanermönch Fra Bartolomeo Piatti zurück, dem Ende des 15. Jahrhunderts an dieser Stelle am Vorabend von Christi Himmelfahrt die Gottesmutter erschienen war. Noch heute wird das Kloster von Kapuzinern bewohnt.

Lebensgroße Nachbildung des Letzten Abendmahls – saßen die Jünger auf dem Bild nicht alle nebeneinander an einem geraden Tisch?

Heute an Pfingstsonntag waren nur wenige Gläubige zum Rosenkranz um 16:15 Uhr in die Kirche gekommen, die wir aber natürlich nicht stören wollten. Wir beließen es daher bei einem Foto vom prachtvollen barocken Interieur der Kirche und genossen den Blick auf den Lago Maggiore. Nach dem Genuss eines kalten Getränks im höher gelegenen Café Pane e Dolci warfen wir noch einen letzten Blick auf die Wallfahrtskirche auf dem hoch über dem See gelegenen Felssporn.

Blick auf die Fassade der Wallfahrtskirche
Beim Rosenkranz um 16:15 Uhr noch nicht viel los,
um 17:00 Uhr ging es bereits mit der nächsten Messe weiter
Ein letzter Blick auf Madonna del Sasso und den Lago Maggiore, bevor es mit der Bahn wieder hinunter nach Locarno geht

Wieder im Tal und am Hotel angekommen, setzten wir uns ins Auto und fuhren nach Ascona, um dort in der Pizzeria Bella Ciao an der Uferpromenade zu Abend zu Essen und anschließend dem letzten Tag des an diesem Wochenende stattfindenden Straßenkünstlerfestivals beizuwohnen.

Die Kinder konnten sich an Stelzenlaufen versuchen (Jochen musste es im Anschluss natürlich auch probieren und scheiterte – die Kindheit ist doch schon etwas länger her; natürlich gibt es von den Versuchen keine fotografischen Dokumente) oder der deutlich einfacheren Variante des Laufens auf Dosen oder sich darin probieren, Riesenseifenblasen zu formen.
Für uns waren die beiden Vorführungen der Straßenartisten interessanter. Eine ähnliche Performance wie die der Gruppe Surprise Effect hatten wir bereits vor 3 Jahren auf dem Times Square in New York gesehen.

Der argentinische Straßenkünstler Victor Rubilar beeindruckte mit seiner Jonglage von fünf Fußbällen
Die Gruppe Surprise Effect aus Toulouse zeigte einen Mix aus Akrobatik und Breakdance

Morgen wollen wir uns das Maggiatal anschauen, das größte Tal der italienischen Schweiz.

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